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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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Kollegin“ und sie nennt ihn auch nicht mehr Kurt, sondern nur noch „Herr Eberhardt“.
    Ich glaube mein Vater hat was gemerkt, denn einmal ist er überraschend früher nach Hause gekommen, weil ein Kunde, den er beraten hat, doch pleite gegangen ist und den letzten Beratungstermin abgesagt hat. Da hatte sich Herr Eberhardt in unserem Wohnzimmer ausgebreitet und lag ohne Krawatte auf unserer Couch. Und jetzt vermutet mein Vater vielleicht, dass die beiden nicht nur Patientenakten durchsehen. Ich habe sogar gehört, wie mein Vater laut fragte:
    „Wie lange geht das schon“, aber obwohl ich gelauscht habe, habe ich die Antwort meiner Mutter nicht gehört. Ich habe nicht einmal herausgefunden, was wie lange oder nicht schon so geht.
    Lauschen darf man eigentlich nicht. Ich möchte auch nicht, dass mich jemand heimlich belauscht, wenn ich mit Mona über die Iguanodondame rede. Aber manchmal tue ich es doch, das Belauschen, aber nur, wenn es der guten Sache dient. Denn wenn es einer guten Sache dient ist das Belauschen OK, finde ich.
    Mona meinte, dass Lauschen beispielsweise völlig OK ist, wenn die Eltern darüber diskutieren, ob das Taschengeld gekürzt werden soll oder ob man am Samstag länger aufbleiben darf. Das ist nur fair. Weil vielleicht sagen sie ja, wenn er dies oder jenes gut macht, dann darf er dies oder das. Dann macht man eben dies oder jenes gut, was man sonst vielleicht aus Unlust gar nicht tun würde. Dann darf man dies oder das und alle freuen sich. Dann also ist Lauschen OK.
    Herr Eberhardt ist nie wieder zu uns gekommen, seit ihn mein Vater ohne Krawatte auf unserer Wohnzimmercouch überrascht hat, darum weiß ich auch nicht, ob irgendwas noch weitergeht. Ich weiß nicht einmal, ob Herr Eberhardt noch lebt. Vielleicht ist er auch schon tot wie Gerd und eine andere Tante hat ihn auf dem Sofa vor dem Fernseher gefunden.
    Einmal ist meine Mutter mit Herrn Eberhardt und ein paar Aktenordnern in unserem Kombi weggefahren und erst nach mehreren Stunden zurückgekommen. Sie kam dann gleich zu mir ins Zimmer und sagte, dass ihr das leid tut, dass aber das Einsortieren der Akten im Krankenhaus so lange gedauert hat. Das stimmt aber nicht. Ich merke sofort, wenn mich Erwachsene anlügen. Sie sind dann so überfreundlich und erzählen immer weiter, ohne dass man sie irgendwas fragt. Wenn mir Erwachsene irgendwas erzählen und dann immer weiter und weiter erzählen, ohne dass ich irgendetwas fragen muss, dann höre ich plötzlich die Stimme von Spock von Raumschiff Enterprise in meinem Kopf: „Wir werden angegriffen, Sir“, und die pulsierende Sirene von Alarmstufe Rot.
    Ich mag es nicht, wenn man mich anlügt. Anschwindeln ist OK, aber anlügen nicht. Dann werde ich wütend. Aber das war wieder ein Fall für Monas Liste. Mein ADS-Hirn überlegte fieberhaft, welche Frage ich jetzt stellen könnte. Aber diesmal nur offene Fragen, nicht wie bei Frau Dr. Müller-Nöllendorf. Aber eigentlich ist es egal, weil sich Erwachsene sowieso nicht daran halten. Wenn man ihnen eine geschlossene Frage stellt, damit man eine klare Antwort bekommt, sagen sie sowieso einfach irgendwas. Fragt man zum Beispiel Erwachsene:
    „Gehen Sie jeden Sonntag zur Kirche, Ja oder Nein“, was eigentlich nicht so schwierig ist, dann antworten sie bestimmt nicht mit „Ja“ oder „Nein“, sondern sagen einen Käse wie „das wäre eigentlich schon wichtig“.
    „Haben deine oder Hr. Eberhardts Akten länger zum Einsortieren gebraucht?“
    Meine Mutter wirkte plötzlich ziemlich gestresst, rieb sich die Hände und sagte dann:
    „Du immer mit deinen Fragen“, sagte sie und ging hinaus.
    Meine Mutter war überführt. Sie kannte die Akten von Hr. Eberhardt überhaupt nicht und müsste im Film jetzt ins Gefängnis.
    Das war kurz vor Ostern. Alles war in Ordnung, bis meine Eltern eines Abends gemeinsam ins Kino gingen und ich „Kramer gegen Kramer“ mit Dustin Hoffmann im Fernsehen sah. Ich mag Dustin Hoffman wegen des Rainman-Schreis und weil er genauso heißt wie ich. Vielleicht habe ich deshalb „Kramer gegen Kramer“ eingeschaltet in der Hoffnung, dass ich neben dem Rainman-Schrei noch was anderes Nützliches von ihm lernen könnte.
    Die Frau von Dustin Hoffman stand plötzlich eines Abends mit gepackten Koffern in der Bude und machte sich vom Acker, weil ihr alles zu viel wurde. Das verstand ich nicht ganz, weil sie ja gar keine Englisch-Vokabeln lernen musste. Erwachsene können nämlich einfach immer sagen: „Nö, kein Bock,

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