Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
das mache ich nicht“.
Ich langweilte mich, weil sie dauernd stritten und es überhaupt keine Verfolgungsfahrten gab. Aber dann merkte ich, wie ich in kürzester Zeit total in Panik geriet. Mein Fuß zuckte und ich rannte ungefähr eine Stunde mit dem Todesstern durch die Wohnung, bis ich völlig verschwitzt und erschöpft war. Meine Mutter wirkte auch so überfordert wie die Frau von Dustin Hoffman und was wäre, wenn sie sich mit Hr. Eberhardt vom Acker machte? Das war das erste Mal, dass mir dieser Gedanke kam. Hr. Eberhardt sah zwar nicht so gut aus wie mein Vater, aber bei Erwachsenen weiß man ja nie. Ich habe sofort Mona angerufen, aber es war schon nach Mitternacht und ihre Mutter ging an den Apparat und schimpfte mich.
Weil Ostern war, wie schon gesagt, kam mir eine total geniale Idee. Ich würde meine Mutter mit einem persönlichen Geschenk gnädig stimmen, damit sie nicht mit Hr. Eberhard durchbrannte und ihre Anwälte mich dann nicht durch 20 Gerichtsverhandlungen schleifen konnten. Wegen des Sorgerechts. Wenn Erwachsene sich trennen, wird nämlich alles, was sie haben, auf einen Haufen geworfen und dann aufgeteilt. Die Frau bekommt zum Beispiel die Waschmaschine und das Kind, und der Mann die Stereoanlage. Wenn die Frau die Stereoanlage will, muss sie das Kind hergeben. So läuft das.
Am Nachmittag nach der Schule kaufte ich für meine Mutter einen großen Schokoladenosterhasen in Goldfolie, den ich am Ostersonntag ganz früh auf den Tisch mit den Osternestern stellte. Ich hatte dem Hasen ein selbst gemachtes Schild umgehängt, auf dem „Für Bienchen“ stand. Anfangs war ich ziemlich stolz auf meine Idee. Aber dann tobte mein Vater aus irgendeinem Grund.
Ich ging in mein Zimmer, um endlich „Dark Star“ zu sehen, den ich mir von Mona ausgeliehen hatte und anschließend „Bugs Bunny“. Mein Vater schrie immer noch und wollte plötzlich von meiner Mutter wissen, wie ich auf „Für Bienchen“ gekommen war.
In der Schule hat irgendein Schlaumeier mal gesagt, dass die letzte Eiszeit vielleicht durch einen kleinen unbedeutenden Vorfall ausgelöst wurde. Das habe ich nie verstanden. Aber jetzt verstand ich es. Denn seit dem Goldfolienhasentag herrschte in unserer Familie auch Eiszeit.
Wenn Phillipp doch hier wäre! Dann könnte ich mit ihm nicht nur zu den Elefanten gehen. Er wüsste als mein großer Bruder sicher auch, was jetzt zu tun wäre. Vielleicht könnte ich mit Phillipp einfach durchbrennen und die kranke Welt der Erwachsenen hinter mir lassen. Wir könnten nach Alaska gehen und mit Hundeschlitten im Schnee herumfahren. Phillipp mochte nämlich nicht nur Elefanten, sondern auch Huskys. Ich bin sicher, wenn Phillipp immer an meiner Seite gewesen wäre, dann hätte ich kein ADS bekommen.
7
Wir fuhren also in unserem riesigen Auto durch die Eiszeit. Aber der Stau kam nicht, der mich retten sollte. Meine einzige Hoffnung war, dass die letzte Brücke, die wir passieren mussten, rechtzeitig von einem Terroristenkommando gesprengt würde. Natürlich bevor wir darauf fuhren, sonst würde es ja keinen Sinn machen. Nach der nächsten Kurve würden wir in der Dunkelheit auf hunderttausend orange Blinklichter zufahren. Meine Mutter würde sagen:
„Ist da was passiert?“
Mein Vater lässt dann das Fenster herunter und fragt einen der Typen mit Sicherheitsweste draußen:
„Was ist denn los?“
„Hier kommen Sie nicht durch, Sir. Drehen Sie um und fahren sie zurück.“
„Dauert es lange? Wir müssen auf die andere Seite des Flusses. Sagen Sie mir, was hier los ist.“
„Bedaure, Sir, nationale Sicherheit. Drehen Sie jetzt um, Sir, und fahren Sie zurück.“
„Aber das muss doch einen Grund haben.“
„Bedauere Sir, ich muss Sie bitten sofort umzudrehen und zurückzufahren, Sir.“
Mein Vater gerät leicht aus der Fassung, vor allem, wenn ihm jemand sagt, was er tun soll und er nicht genau weiß, warum. Aber der andere Mann draußen bekommt eben auch seine Anweisungen über einen Knopf im Ohr und er hat eine ganz klare Ansage, aus Gründen der nationalen Sicherheit meinem Vater nicht zu sagen, dass Terroristen die Brücke vor uns gerade gesprengt haben. Wenn mein Vater aufhören würde mit dem Officer zu streiten, dann könnte er durch die Windschutzscheibe anhand der rauchenden Trümmer selbst sehen, dass Terroristen die Brücke gesprengt haben. Dass es das Werk von Terroristen ist, sieht man natürlich nicht, aber wer sollte sonst um sieben Uhr abends ohne Grund eine Brücke
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