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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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Lehre gehen soll. Als Bombenbauer. Aber ich frage mich natürlich, womit ein Bombenbauer überhaupt sein Geld verdient.
    Serrano, der Bombenbauer, holte uns am Aufzug ab. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass wir uns zwischen den zwei Wohnungstüren verlaufen. Er ist bestimmt 70, vielleicht auch 120 und viel dünner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er ist bei der Begrüßung ganz freundlich und gibt sogar mir die Hand, obwohl ich es bin, der seine Bombenbauer-Karriere beendet hat.
    Dann saßen wir alle in Serranos kalter Bude um einen winzigen Küchentisch herum und schauten blöde vor uns hin. Ich bin ganz schön klein für mein Alter. Wenn ich auf einem normalen Erwachsenenstuhl sitze, komme ich mit meinen Beinen nicht auf den Boden. Das macht mich völlig irre und ich muss komplett herumzappeln. Ich versuchte mit meinem Bein Vierecke in die Luft zu zeichnen. Acht in der Minute, aber ich schaffte nur sieben, deshalb versuchte ich es noch mal, bis mein Vater plötzlich unter dem Tisch mein Bein festhielt und mir böse zunickte.
    Ich sagte „Aua“, da blickte Herr Serrano verwirrt und mein Vater ließ mich los.
    „Es ist sehr nett, dass Sie gekommen sind“, meinte unser unheimlicher Gastgeber.
    Ich wusste gar nicht, was ich sagen soll und nutzte die Zeit, um mir zu überlegen, was der beste imperiale Schlachtkreuzer wäre, wenn ich mir einen aussuchen könnte. Zum Geburtstag oder so.
    „Hallo. Herr Serrano hat dich was gefragt“, sagte mein Vater und rüttelte mich an der Schulter.
    Der Bombenbauer hielt eine Teekanne in der einen Hand und ein Glas Fruchtsaft in der anderen und wirkte wie ein netter älterer Herr. Einen Moment war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob er nicht einfach tatsächlich ein netter Opa war und ich den Falschen in der U-Bahn verfolgt hatte. Ich wusste aber nicht, was er gefragt hatte, weil mein System gerade aus dem Standby hochfuhr.
    „Möchtest du Fruchtsaft oder eine Tasse Tee?“
    „Fruchtsaft bitte“.
    Meine Eltern laberten scheinbar schon eine ganze Zeit mit Serrano über „den Fall“. Die Detectives hatten keinen Kunstdünger in der Wohnung gefunden und konnten dem Alten auch keine Bombenpläne nachweisen. Deswegen ging er jetzt in die Gegenoffensive. Er schickte die besten Anwälte der Welt und verklagte uns. Wegen Rufschädigung und solchen Sachen. Die Lage war total ernst. Denn wenn meine Eltern gegen seine Anwälte verloren, dann waren wir völlig am Arsch. Dann konnten wir nicht mehr in Urlaub fahren, hätten wahrscheinlich nicht mal mehr ein Auto und meine Mutter konnte mir kein Pistazieneis mehr kaufen. So viele Firmen konnte mein Vater gar nicht vor der Pleite retten.
    Serrano gab mir das Fruchtsaft-Glas. Es schmeckte lecker und ich trank alles in einem Zug aus. Serrano hatte sich gerade gesetzt, stand aber sofort wieder auf und schenkte mir nach.
    „Hey“, sagte mein Vater zu mir. Er hatte bestimmt Angst, dass ich Serrano testen wollte und nur deshalb jetzt 20 Gläser in einem Zug austrank und dann am Küchentisch in die Hosen machte, weil eine meiner Platinen durchgeschmort war.
    „Das ist kein Replikanten-Test, ich habe nur Durst.“
    Ich glaube mein Vater hatte während meiner Standby-Phase ein Plädoyer gehalten, so wie im Gericht, dass ich vermindert schuldfähig bin und so und Serrano erklärt, dass unter den besonderen Umständen bei uns nichts zu holen war, egal wie gut seine Anwälte waren. Die Geschworenen würden einem Kind mit ADS nichts tun. Ich glaube ich habe sogar einmal den Namen von Frau Dr. Müller-Nöllendorf gehört. Aber ich weiß es nicht sicher. Ist auch egal.
    „Mitunter war mir in den Sinn gekommen, Sie tatsächlich zu belangen. Dann jedoch verflog mein Zorn und machte heiteren Fragen Platz.“
    Ich war sofort hellwach. Noch nie hatte ich einen Erwachsenen so sprechen hören. Vielleicht rede ich mir auch ein, dass er so was gesagt hat. Das kann schon sein. Erst fand ich es total bescheuert, aber dann lustig. Ich habe am nächsten Tag versucht mit meiner Mutter in Reimform zu reden, aber das ist ganz schön schwierig. Meine Mutter hat gesagt, ich soll den Blödsinn lassen, sonst bekomme ich kein Pistazieneis mehr. Jetzt finde ich es nur noch heimlich schön, wenn jemand in Reimen redet.
    Mein Radarschirm drehte in Richtung Serrano. Wenn ich mich sehr auf etwas konzentriere, dann kann ich alles, was gesagt worden ist, hinterher genauso wiedergeben wie ein Tonband. Das erschreckt meine Mutter manchmal. Mich auch, aber nicht, weil ich es

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