Die Elementare von Calderon
ihn zart, trotzdem spürte sie die Hitze in ihm aufwallen, denn sein Mund schob sich gierig auf ihren. Ihr Herz schlug noch schneller.
Bernard beendete den Kuss und zog sich mit geschlossenen Augen zurück. Er schluckte, sein Hals bewegte sich, und mit dem Arm zog er sie kurz fest an sich. Dann schlug er die Augen auf. »Du musst schlafen.«
»Aber -«
»Du bist halb erfroren und außerdem verängstigt«, sagte Bernard. »Das werde ich nicht ausnutzen.«
Sie wurde rot und schaute zur Seite. »Nein. Ich meine -«
Er legte ihr die Hand auf den Kopf und drückte ihn sanft nach unten. Den anderen Arm schob er unter ihren Kopf, so dass ihre Wange darauf lag. »Ruh dich aus«, meinte er leise. »Schlafe.«
»Ganz bestimmt?«, fragte sie. Und obwohl sie nicht wollte, fielen ihr die Augen zu und wollten sich nicht mehr öffnen.
»Ganz bestimmt, Amara«, sagte er mit tiefer Stimme, deren Schwingungen sie ebenso spüren wie hören konnte. »Schlafe. Ich halte Wache.«
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht -«
Er beugte sich vor und berührte mit dem Mund ihr feuchtes Haar. »Pst. Wir können später reden, wenn du möchtest. Schlaf jetzt.«
Mit heißen Wangen schmiegte sich Amara an seinen warmen Körper und seufzte. Der Schlaf hatte sie übermannt, ehe sie das nächste Mal Atem geholt hatte.
Das Licht weckte sie. Sie lag am Feuer, nun jedoch zugedeckt mit einem Mantel, der inzwischen trocken war und sie wärmte, nur nicht am Rücken, der sich anfühlte, als würde er gerade wieder auskühlen. Bernard war nirgends zu sehen, das Feuer war heruntergebrannt, und graues Licht schien von der Seite in die kleine Höhle.
Amara stand auf, hüllte sich in den Mantel und ging zum Eingang. Dort stand Bernard, immer noch ohne Hemd, und starrte auf die Landschaft, die sich im Morgengrauen vor ihm ausbreitete. Eis überzog die Äste der Bäume, und Schneeregen bedeckte die Erde mit einer weißen Schicht und ließ alle Geräusche lauter wirken. Das Land leuchtete winterlich. Amara blieb stehen, schaute ins Tal und blickte dann Bernard an. Seine Miene war hart und wachsam.
»Wehrhöfer?«, fragte sie.
Er legte den Zeigefinger an die Lippen, ohne den Blick vom Land abzuwenden, und lauschte. Abrupt schaute er nach Süden, wo die Bäume in der schwindenden Dunkelheit schweigend und starr glitzerten.
»Dort«, sagte er.
Amara runzelte die Stirn, trat zu ihm und zog den Mantel noch enger um sich. Mit dem Sturm war der Winter eingekehrt. Sie folgte Bernards Blick zu den Bäumen, die er so unablässig anstarrte.
Doch bevor sie etwas entdeckte, hörte sie es, ein Geräusch, das langsam anschwoll und näher kam. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie es erkannte.
Krähen. Das Krächzen von Krähen. Das Krächzen tausender Krähen.
Noch während sie ein Schauer überlief, tauchten sie auf, schwarze Schemen im Morgengrauen, aus der Richtung, in die Bernard guckte. Sie flogen niedrig über den Bäumen, hunderte, tausende schwärmten durch die Luft wie ein lebendiger Schatten und verhüllten den Himmel. Sie flatterten über das Calderon-Tal hinweg zielstrebig nach Nordosten.
»Krähen«, flüsterte sie.
»Sie wissen es«, sagte Bernard. »Oh, gute Elementare. Die Krähen wissen es stets.«
»Was?«, hauchte Amara.
»Wo man die Toten findet.« Er seufzte tief. »Sie wittern eine Schlacht.«
Amara riss die Augen auf. »Fliegen sie in Richtung Kaserna?«
»Ich muss Tavi und Isana finden. Und zum Wehrhof zurückkehren«, sagte Bernard.
Sie wandte sich ihm zu und ergriff seinen Arm. »Nein«, meinte sie. »Ich brauche deine Hilfe.«
Doch er schüttelte den Kopf. »Ich bin für mein Hofvolk verantwortlich. Dorthin muss ich zurück.«
»Hör mir zu«, sagte sie. »Bernard, ich brauche deine Hilfe. Dieses Tal kenne ich nicht. Mir sind die Gefahren fremd. Ich habe schon Angst, wenn ich tagsüber in die Luft aufsteige, und selbst wenn ich es allein bis zu deinem Grafen schaffe, würde er vielleicht nicht auf mich hören. Ich brauche jemanden, den er kennt und der mich begleitet. Denn wenn das Tal beschützt werden soll, muss er rasch und entschieden reagieren.«
Bernard schüttelte den Kopf. »Damit habe ich nichts zu tun.«
»Doch - spätestens, wenn eine Marathorde vor den Toren von Bernardhof steht. Glaubst du, du kannst den Hof allein mit deinen Leuten gegen sie verteidigen?«
Verunsichert sah er sie an.
Sie bedrängte ihn weiter. »Bernard. Wehrhöfer Bernard. Du trägst die Verantwortung für deine Menschen.
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