Die Elementare von Calderon
ihn.«
Also folgte Tavi seinem Onkel die Straße entlang. Bernard schritt zielstrebig in Richtung Dammweg weiter, als habe er die Absicht, an den versteckten Männern vorbeizugehen. Dann fuhr er im letzten Moment ohne Vorwarnung nach links herum, legte einen Pfeil mit grauer Befiederung auf den Bogen, zog die Sehne zurück und schoss auf eine Gruppe Büsche, die nur wenige Schritte neben der kleinen Steinbrücke über den murmelnden Bach auf einem Schutthaufen stand.
Tavi hörte einen Schrei, und die Büsche bewegten sich heftig. Einen Augenblick später sprang ein Junge in Tavis Alter heraus und umklammerte mit einer Hand seinen Hosenboden. Er war breit und kräftig gebaut, und sein Gesicht hätte hübsch gewirkt, wenn er nicht so eine trotzige Miene aufgesetzt hätte. Bittan von
Kordhof, Kords jüngster Sohn. »Verfluchte Krähen!«, heulte der Junge. »Bist du verrückt geworden?«
»Bittan?«, rief Bernard und spielte den Überraschten. »Ach, du meine Güte. Ich hatte keine Ahnung, dass du es bist.«
Weiter unten am Weg kam ein zweiter Mann aus seinem Versteck - Kords ältester Sohn Aric. Er war schlanker als der Bruder, größer und einige Jahre älter. Das Haar trug er als Pferdeschwanz, und auf der Stirn hatten sich bereits Furchen vom vielen Nachdenken eingegraben. Er beobachtete Bernard wachsam und rief: »Bittan? Bei dir alles in Ordnung?«
»Nein, nichts ist in Ordnung!«, brüllte der Junge wütend. »Ich bin angeschossen worden!«
Tavi schaute zu dem anderen Jungen und fragte seinen Onkel leise: »Hast du ihn angeschossen?«
»Nur ein Kratzer.«
Tavi grinste. »Vielleicht hast du ihn am Kopf getroffen.«
Bernard lächelte wölfisch und antwortete nichts.
Weiter hinten im Gebüsch raschelte Laub, und abgestorbenes Holz knackte. Kurz darauf trat Wehrhöfer Kord aus einem Farngestrüpp. Er war nicht sonderlich groß, aber seine Schultern wirkten für seinen Körper zu breit, und seine muskulösen Arme waren unnatürlich lang. Kord trug eine geflickte, ausgeblichene graue Tunika, die dringend eine Wäsche nötig gehabt hätte, und eine dicke Hose aus Garganthaut. Die schwere Kette des Wehrhöfers, das Zeichen seines Amtes, hing ihm um den Hals. Die Kette war schmutzig und verschmiert, sicherlich, so nahm Tavi an, damit sie besser zu seinem ungekämmten grauen Haar und dem Stoppelbart passte.
Kords gesamte Haltung strahlte Feindseligkeit aus, und in seinen Augen funkelte kalte Wut. »Bei den Krähen, Bernard, was soll das?«
Bernard winkte Kord freundlich zu, aber Tavi entging nicht, dass er in der anderen Hand den Bogen mit einem weiteren Pfeil
hielt. »Kleines Missgeschick«, sagte er. »Ich habe gedacht, dein Junge wäre ein Räuber, der im Gestrüpp lauert und Reisende überfallen will.«
Kord kniff die Augen zusammen. »Willst du mir etwa Derartiges unterstellen?«
»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Bernard, doch sein Lächeln erreichte die Augen nicht. »Bloß ein Missverständnis. Den großen Elementaren sei Dank, dass niemand verletzt wurde.« Er hielt kurz inne, und das Lächeln verschwand, ehe er leise hinzufügte: »Es wäre mir doch sehr unangenehm, wenn auf meinem Grund und Boden jemand verletzt würde.«
Kord grunzte, was eher nach einem Tier denn nach einem Menschen klang, und stapfte wütend näher. Der Boden unter seinen Füßen zitterte, die Erde wölbte sich bei jedem Schritt auf, als würde knapp unter der Oberfläche eine Schlange kriechen.
Bernard wich Kords Blick nicht aus und rührte sich nicht.
Kord grunzte wieder und schluckte seinen Ärger hinunter, was ihn sichtlich Mühe kostete. »Eines Tages wirst du mich schon noch kennen lernen, Bernard.«
»Sag so etwas nicht, Kord«, gab Tavis Onkel zurück. »Du machst dem Jungen Angst.«
Kords Blick schweifte zu Tavi, und dem Jungem wurde bei dieser geballten Wut unbehaglich zumute.
»Hat er inzwischen einen Elementar gefunden, oder gibst du endlich zu, dass er eine Missgeburt ist?«
Diese Äußerung bohrte sich Tavi wie ein Stachel ins Fleisch, und er öffnete schon den Mund für eine zornige Erwiderung.
Aber Bernard legte ihm die Hand auf die Schulter. »Mach dir wegen meines Neffens keine Gedanken.« Er sah hinüber zu Bittan. »Du hast ja schließlich selbst Sorgen genug. Warum gehst du nicht hoch zum Wehrhof? Isana hat sicherlich schon etwas vorbereitet.«
»Ich denke, wir bleiben noch eine Weile hier«, sagte Kord. »Und essen erst einmal unser Frühstück.«
»Wie ihr wollt«, meinte Bernard und ging
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