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Die Elementare von Calderon

Die Elementare von Calderon

Titel: Die Elementare von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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vorstellen, der über solche Kräfte verfügte. Gewiss war die Verletzung weniger übel gewesen, und wenn das stimmte, konnte der Zwischenfall mit dem Marat ebenfalls übertrieben sein.
    Setzte man also voraus, dass Tavi sich einen Teil seiner Abenteuer ausgedacht hatte, ergab die Geschichte vom gestrigen Tag wesentlich mehr Sinn. Der Junge, den Gefühle der Unzulänglichkeit quälten, konnte einiges hinzugedichtet haben, um sich wichtig zu machen. Diese Erklärung klang wesentlich logischer als das, was er ihr erzählt hatte.
    Amara runzelte die Stirn. Sicherlich hörte es sich plausibler an, trotzdem konnte sie seinen Mut und seinen Einsatz nicht leugnen. Er hatte nicht nur den entsetzlichen Elementarsturm überlebt, sondern außerdem auch noch sie gerettet und dafür beträchtliche Risiken auf sich genommen, obwohl er sich einfach hätte in Sicherheit bringen können. Solche Tapferkeit und Opferbereitschaft gingen nur selten Hand in Hand mit Lügen.
    Letztlich entschied Amara, dass sie zu wenige Tatsachen kannte, bis sie nicht auch mit dem Onkel gesprochen hatte, und der schien keineswegs in der Stimmung zu sein, sich mit ihr zu unterhalten. Sie musste mehr erfahren. Wenn die Marat einen Angriff vorbereiteten, würde die Verteidigung gegen sie eine größere Mobilisierung erfordern, was sowohl für den Hohen Fürsten von Riva als auch für das Schatzamt der Krone gewaltige Ausgaben bedeutete. Diese Neuigkeiten würden Widerstand wecken, und falls sie nur mit der Aussage eines Hirtenjungen zum hiesigen Grafen
ginge, würde man ihr zur Antwort nur immer wieder das Märchen vom Jungen erzählen, der Thanadent gerufen hatte. Sie brauchte das Zeugnis eines Landbesitzers, dem der Graf vertraute, eines Wehrhöfers, um ernst genommen zu werden.
    So konnte sie zunächst nur darauf hoffen, dass der Graf vielleicht eigene Kundschafter ausschicken würde, um den Feind zu suchen, und selbst, wenn es denen gelang, von einer tödlichen Auseinandersetzung mit einer Marathorde zurückzukehren, wäre diese ihnen womöglich auf den Fersen. Die Marat konnten das Tal mit einem einzigen Überfall einnehmen und das Gebiet in der Umgebung von Riva plündern, während der Hohe Fürst durch den einbrechenden Winter in seiner Stadt festsaß und nur zuschauen konnte, wie sein Land verwüstet wurde.
    Bestenfalls würde sie den Grafen mit Bernards Aussage dazu bewegen, die Verteidigungsbereitschaft von Kaserna heraufzusetzen und Verstärkung aus Riva kommen zu lassen. Vielleicht würde man sogar einen Präventivschlag führen, damit die heranstürmende Horde gar nicht erst an die Grenzen des Reiches gelangte.
    Andererseits wäre es, wenn ein Gesandter der Krone die Legionen der Umgebung in Alarmbereitschaft versetzte und somit Riva große Ausgaben aufbürdete, eine Bloßstellung des Ersten Fürsten vor den anderen Hohen Fürsten und dem Senat, falls sich diese Maßnahme als überflüssig erwies. Gaius’ Ruf würde durch die politischen Attacken seiner Gegner solchen Schaden nehmen, dass dies angesichts der längst beunruhigten Hohen Fürsten zu dramatischen Ergebnissen führen konnte.
    Amara schluckte. Gaius hatte ihr zugetraut, dass sie seine Interessen im Tal vertreten konnte. Sie traf ihre Entscheidungen stellvertretend für ihn. Und während er die moralische und ethische Verantwortung für ihr Handeln trug, würden die Hohen Fürsten womöglich gerichtlich gegen sie vorgehen, falls sie ihre Befugnisse im Namen der Krone missbrauchte. Gaius müsste dann gute Miene zum bösen Spiel machen. Kerker, Blendung oder Kreuzigung
waren noch die milderen Urteile, die sie in einem solchen Verfahren erwarten durfte.
    Somit hingen von ihren Entscheidungen der Ruf der Krone, die Sicherheit des Reiches und ihr eigenes Leben ab. Also sollte sie gründlich über ihr Vorgehen nachdenken.
    Dazu brauchte sie mehr Informationen.
    Bernardhof erreichten sie, kurz nachdem die Sonne den höchsten Punkt überschritten hatte.
    Amara beeindruckte die massive Anlage. Die Kursorin war selbst auf einem Wehrhof aufgewachsen, und sofort fiel ihr auf, dass man hier stets mit dem Schlimmsten rechnete. Um die Hauptgebäude war eine Mauer gezogen, die höher aufragte als bei manchen Militärlagern, fast doppelt so hoch wie ein Mann. Sie bestand aus nahtlosem, dunkelgrauem Stein, der von einem mächtigen Erdwirker mühsam aus dem Boden erhoben worden war. Das Tor, schwere Eiche und verstärkt mit Stahl, war halb geschlossen, darüber hielt ein grauhaariger Mann, der ein altes

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