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Die Elenden von Lódz

Die Elenden von Lódz

Titel: Die Elenden von Lódz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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ganze Dachstühle waren auf den Ladeflächen der Lastwagen festgezurrt, die in nicht abreißen wollender Kolonne zum Güterbahnhof gefahren kamen. Eine ganze Stadt in Bewegung.
    Und neue Arbeitskräfte waren ständig gefragt.
    Einige wenige privilegierte Arbeiter kamen mit der Straßenbahn, deren aneinandergekuppelte zwei Wagen morgens entlang der weiten, platten Lehmfelder näher glitten. Die meisten der Neurekrutierten gingen jedoch zu Fuß, etliche noch immer in Oberhemd und Ärmelschützern, als würden sie noch am selben Tag an ihren Schreibtischen und Rechenpulten zurückerwartet.
    |480| (Manche der Zwangsrekrutierten konnten wilde Geschichten erzählen, darüber, wie Biebow persönlich erschienen war, um dafür zu sorgen, dass die Büroangestellten ihre Arbeitsplätze verließen. Zur Kartenabteilung war er gekommen. Ebenso zu dem von ihm selbst eingerichteten Fach- und Kontrollreferat, wo er vor einer erschrockenen Ansammlung von Revisoren erklärt hatte, entweder würde deren Chef, Józef Rumkowski, ihm unverzüglich fünfunddreißig gesunde, kräftige Arbeiter zur Verfügung stellen, oder Herr Rumkowski hätte ihn persönlich nach Marysin zu begleiten, um Ziegel zu klopfen.)
    »Sie stellen Zementplatten her«, verkündete Jankiel eines Tages stolz.
»Hera-klith!«
    Jankiel hatte versucht, mit ein paar der Palastangestellten ins Gespräch zu kommen –
den Advokaten
, wie er sie nannte –, um kommunistischen Kameraden, die noch drinnen im Getto arbeiteten, über diesen Weg vielleicht Nachrichten übermitteln zu können. Doch es war eine ausgepumpte, müde und marode Schar, die in diesem Winter in Radogoszcz ankam; wenige von ihnen eigneten sich als Kuriere. Kaum hatte Herr Olszer sie in seine Listen eingetragen, da kippten sie vor Hunger und Erschöpfung auch schon um und mussten in der provisorischen Krankenstation betreut werden, die man dem Ältesten erlaubt hatte, an Ort und Stelle einzurichten.
    Nicht einmal Herr Olszer besaß ein eigenes Büro. Selbst einen Schreibtisch hatte er nicht zur Verfügung, bevor Oberwachtmeister Sonnenfarb auf persönliche Anweisung des Bahnhofsvorstehers das »Radiotischchen« auslieh, das er in seinem Wachhäuschen an der Laderampe stehen hatte. An diesem Tisch saß nun Herr Olszer und registrierte die Neuankömmlinge, zum Schutz vor Regen und Schneetreiben den Arm über den Augen.
    Mit der Zeit gelang es ein paar erfahrenen Bauarbeitern aus der Drewnowska ein Stück unterhalb der Bahnhofsrampe eine hangarähnliche Holzstruktur hochzuziehen. Dieser Hangar war neunzig Meter lang, drei Meter hoch und hatte einen Dachüberhang von fünf Metern, wenn nicht mehr. Einige der Palastarbeiter wurden zum Magazin beschieden, wo sie Sand schaufeln und Ziegelsplitt zur Grube schleppen mussten, in der die Zementmischer ihren Platz hatten. Die Zementmischer |481| wurden von polnischen Arbeitern bedient, die allmorgendlich mit dem Zug hier ankamen. Adam kannte einige von ihnen, da sie zuvor an der Entladerampe beschäftigt gewesen waren; manche hatten früher sogar Zigaretten und Medikamente ins Getto geschmuggelt. Doch jetzt ließ sich keiner der Polen anmerken, dass er Adam wiedererkannte. Sie füllten und drehten nur ihre Mischer und blickten nicht einmal auf, wenn das Gemisch in die fertigen Rahmen gekippt werden sollte.
    Der Hangar war für das Gießen der Heraklithplatten errichtet worden. Ein Gemisch aus Zement, Ziegelsplitt und Holzfasern wurde in Holzformen gefüllt. Dann kamen Männer mit langen Eisengeräten und strichen die Masse breit, bis sie völlig glatt war. Ein paar Stunden später kamen dann Vorarbeiter und Ingenieure und prüften mit Holzstäbchen, ob das Gemisch erstarrt war.
    Für die Deutschen war diese Sache hier wichtig! Allein während der ersten beiden Märzwochen, als der Hangar gebaut wurde, fanden sich nicht weniger als vier Kommissionen aus Litzmannstadt ein. Biebow und seine Männer kamen zur Inspektion. Dann auch die spezielle Kommission von Fachleuten, die Biebow eingesetzt hatte und die unter der Leitung von Aron Jakubowicz stand. Selbst die jüdischen Ingenieure fanden sich nun erstaunlicherweise in Autos hier ein. Adam konnte ihre furchtsamen Gesichter durch die Heck- und Seitenscheiben erblicken, wenn die Fahrzeugkolonne vorüberfuhr. Als hätten die Deutschen sie als eine Art Geisel genommen.
    Im März war dann der Älteste an der Reihe.
    Adam sollte im Nachhinein allen Grund haben, sich dieses Tages zu erinnern, nicht nur aufgrund der Konsequenzen,

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