Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
davor war aufzuschluchzen. So menschlich ...
»Liebst du ihn?«, fragte er.
Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
»Er fehlt mir ... Ich denke oft an ihn. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sein Gesicht vor mir. Mir fehlen seine Hände auf meinem Körper, seine Augen auf meiner Haut... Ist es das, was ihr Liebe nennt?«
Uther seufzte.
»Natürlich ...«
»Dann liebe ich dich aber auch«, sagte sie und sah aus ihren unglaublich hellen grünen Augen zu ihm auf. Im Schein der Flammen konnte er Tränen darin sehen.
Sie streichelte die stopplige Wange des jungen Mannes, und bei der Berührung ihrer kalten Finger überlief ihn ein Schauer. »Glaube ich.«
Der Durchgang
Die ganze Nacht über zog Hamlin, der Minnesänger, durch die Stadt und spielte auf seiner Flöte. Er spielte von den Stadtmauern bis zum Burggraben und ließ
auch das kleinste Gässchen der Unterstadt nicht aus. Im Mor- gengrauen hatten die Elfen mit ihren langsamen und lautlosen Schritten die Stadt verlassen. Und zwar alle Elfen: die Adligen und ihre Pagen, die im Palast lebten, die Bettler und Gaukler aus den Armenvierteln, spöttische und distanzierte Küstenel- fen, Händler oder Hausierer aller Art, Musiker, Tänzer und Marketenderinnen, und in der Morgendämmerung erwach- ten die Bewohner von Loth mit dem Gefühl, dass irgendetwas fehle.
Die Asche des Scheiterhaufens war noch nicht abgekühlt, da war der Hass schon verraucht, auf die Raserei folgte Scham, und die Menschen fingen an, die Rache der Elfen zu fürchten. Die Leute senkten die Köpfe und schlugen die Augen nieder, selbst die dunklen Wolken des aufkommenden Wintertags lasteten wie ein böses Omen auf der Stadt. Jedermann hatte das Gefühl, beschmutzt zu sein, entehrt. Es war, als hätten jeder Zauber und alle Schönheit die Stadt verlassen. Die Menschen fühlten sich - aber das war nicht neu - schwerfällig, vulgär und hässlich (die Adligen, die schon seit jeher das Benehmen der Elfen nachgeäfft hatten, nannten die kleinen Leute übrigens »die Hässlichen«), aber an diesem Tag lastete ihre ganze Erdenschwere noch mehr auf ihnen als sonst. Und dann, ja dann war es auch die Angst vor Repressalien, vor einer blindwütigen Rache, die Loth und seine Einwohner ausradieren würde. Bald hallten die Straßen von den beängstigendsten Gerüchten wider. Wer sich in der Nähe der Stadtmauer aufgehalten hatte, als der Graue Elf auf den Scheiterhaufen geführt worden war, erzählte von dem mörderischen Zauberspruch, mit dem König Llandon die Leiden des Gefolterten abgekürzt hatte, und zwar, weil sie entweder nicht gesehen hatten, wie Till seinen Pfeil abschoss, oder weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass jemand auf eine derartige Entfernung damit treffen konnte. Diejenigen, die nicht dabei gewesen waren und nichts gesehen hatten, versicherten jedermann, dass Llandon einen Fluch gegen die ganze Stadt ausgestoßen hätte, dem zufolge ein Regen silberner Pfeile vom Himmel niedergehen und sie alle töten würde. Dann deuteten sie auf die schwarzen Wolken, die sich am Himmel von Loth zusammenballten, zitterten vor Angst und bekreuzigten sich.
Im Palast führte der Seneschall Gorlois seine Wachmannschaft persönlich in den Flügel der Elfen, durch wühlte jedes Zimmer und jede Ecke, aber sie waren tatsächlich allesamt bis auf den Letzten zu den Klängen von Hamlins Flöte verschwunden. Da suchte Gorlois den König auf, und Pellehun selbst begann zu zittern.
Als die Sonne über dem Buchenwald aufging, waren die vier Gefährten schon seit Stunden unterwegs. Der Nebel über den Sümpfen war einer schneidenden Kälte gewichen, die einem bis ins Mark ging, dafür aber freie Sicht schaffte, und das gewaltige dunkle Bergmassiv der Schwarzen Marken ragte vor ihnen auf.
Frehir bildete die Vorhut, er ging weit voraus und sicherte den einzigen Weg, der durch den Wald hindurchführte. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und wartete, bis sie herangekommen waren, dann ruhten sie sich schweigend aus und knabberten die öligen Bucheckern gegen den Hunger. Nach fünf Stun den begann es zu schneien. Der Schnee blieb nicht liegen, er war schon fast geschmolzen, wenn er die Erde erreichte, es war mehr ein eisiger Regen als wirklicher Schnee. Tsimmi schnatterte und fühlte, dass er Fieber hatte. Uther setzte wie ein Geist einen Schritt vor den ändern. Selbst die Königin spürte die Kälte, die Müdigkeit und den Hunger.
Plötzlich erblickte sie Frehirs Gestalt, die vor einem Weißdorngebüsch voller
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