Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
vollem Halse, und sein Ruf hallte durch die ganze schlafende Stadt. »Ich bin Rogor, König unter dem Schwarzen Berg, und ich rufe den Ingrimm der Zwerge aus! Rache! Rache!«
Tsimmi, der voranging, redete ununterbrochen. Die Höhlenatmosphäre, die so bedrückend auf seine Gefährten wirkte, weckte seine Lebensgeister, und er kommentierte die Beschaffenheit des Gesteins oder die Länge der unterirdischen Gänge, als führe er die anderen durch seinen Garten. Um Frehirs Gemurr, der ihm ohnehin nicht zuhörte und viel mehr mit den zahlreichen Unebenheiten der feuchten Decke beschäftigt war, gegen die er andauernd stieß, kümmerte er sich kein bisschen. Es war schon beinahe rührend mit anzusehen, wie der Zwerg über die langen im Sumpf verbrachten Tage hinwegzukommen versuchte, aber sein unaufhörliches Gequatsche, un ter das sich auch gegrölte Refrains der Kriegslieder der Zwerge von Oonagh und endlose Anekdoten aus der Saga von Fenris Blaubart mischten, ermüdete mit der Zeit die drei anderen.
Außerdem wurde der Gang, in den anfangs noch von Zeit zu Zeit durch natürliche Lichtschächte und Felsspalten ein wenig Tageslicht eingefallen war, immer dunkler, und mit der zunehmenden Dunkelheit verdüsterte sich auch die Stimmung der kleinen Truppe. Im Schein ihrer Fackeln, die sie am Rande des Buchenwalds in aller Eile gefertigt hatten, tauchte rings um sie nur eine eintönige Kulisse aus schmutzigbraunem Gestein auf, aus dem die Feuchtigkeit sickerte, mineralische Draperien, die wie Wandbehänge von der Höhlendecke hingen, Kalkzapfen, tropfende Stalaktiten, wie Kerzen zusammengeschmolzene Felsen und gekrümmte steinerne Säulen, die der ganzen Umgebung den Anstrich einer Tempelruine verliehen. Sie marschierten beinahe die ganze Zeit durch Wasser und kamen ab und zu an richtigen unterirdischen Wildbächen vorüber, die sich gurgelnd in enge Felsspalten stürzten. Manchmal wurde der Gang so eng, dass sie nur hintereinander gehen konnten, dann wieder traten sie plötzlich in immense Säle, so hoch, dass der Fackelschein nicht bis zur Decke hinaufreichte.
In einem dieser riesigen und halbwegs trockenen Säle machten sie Rast, um sich auszuruhen und das Wolfsfleisch im Feuer der Fackeln zu braten. Uther hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie lange waren sie wohl schon unterwegs? Zwei Stunden? Zehn Stunden? Er hatte nicht die geringste Ahnung ... Und dann noch Tsimmi, der einfach nicht aufhören konnte zu reden, als hätte er im Leben nichts Schöneres gesehen als diesen trostlosen, nicht enden wollenden Tunnel, der vor Nässe tropfte und nach Fäulnis und Schwefel stank und weiß der Himmel wohin führte!
Kurz nach ihrem Einstieg war es Uther klargeworden, dass der Weg unter den Hügeln vermutlich ebenso lang wäre wie die Fahrt durch die Sümpfe und dass sie vielleicht tagelang würden gehen müssen, ohne das Tageslicht wiederzusehen.
Lliane, die, seit sie die Wolfshöhle betreten hatten, keinen Ton gesagt hatte, nahm ab und zu seine Hand, ohne ihn dabei anzusehen; vielleicht einfach nur zu ihrer eigenen Beruhigung. Die Elfen konnten zwar, genau wie die an die Dunkelheit ihrer unterirdischen Stollen gewöhnten Zwerge, in der Nacht sehen, aber es war auch nicht die Düsternis der Höhle, die ihr Angst einjagte, sondern die völlige Abwesenheit jeglichen pflanzlichen Bewuchses und dazu noch das Gefühl des Eingeschlossenseins, das die Elfen so schlecht ertrugen. Das Gefühl, der Königin behilflich sein zu können oder ihr zumindest ein wenig Trost zu spenden, half auch dem Ritter selbst, diesen Abstieg ins Innere der Erde zu ertragen, aber im Lauf der Zeit löste Llianes Gegenwart sich im Nebel seiner Gedanken auf. Selbst Tsimmi hatte aufgehört zu reden, und alle stapften sie vorwärts wie die Maultiere, nur darauf konzentriert, über keines der unzähligen Hindernisse des Wegs zu stolpern.
Plötzlich erwachte Uther aus seiner Benommenheit, als er bemerkte, dass Lliane vor ihm stehen geblieben war, und beinahe gegen sie stolperte.
Die Königin hatte sich umgedreht und starrte zurück, ohne auf ihn zu achten, als blicke sie durch ihn hindurch. Unwillkürlich wandte auch Uther sich um und hielt seine Fackel hoch, um die Dunkelheit des Tunnels auszuleuchten, aber jenseits des einige Klafter weit reichenden Lichtscheins konnte er nur die undurchdringliche Schwärze des Stollens sehen, als blicke er in einen Brunnenschacht oder in den weit aufgesperrten Rachen eines unförmigen Ungeheuers.
»Hast du irgendetwas
Weitere Kostenlose Bücher