Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
weit weg und zu schwach, um sie zu ergreifen.
Dann wurde sie harsch zur Seite gestoßen und ihr entfuhr ein Schmerzensschrei.
Zuerst erkannte sie Tsimmi gar nicht wieder, so eindrucksvoll sah der Zwerg vom Boden betrachtet aus. Und Tsimmi lachte hell auf, seine Augen sprühten vor Energie, er war noch voll von diesem Gefühl der Unbezwingbarkeit, das ihnen erlaubt hatte, ihre Angreifer abzuschlagen, das er aber noch nicht im Kampf verbraucht hatte. Ganz allein der Phalanx der Dämonen gegenüberstehend, zog er mit der Fußspitze einen Ring rund um die Königin und ihre Gefährten in den Staub, erhob sich dann zu voller Größe, schleuderte Steinchen gegen die Mauern und stampfte mit dem Absatz auf den Boden. Sie fand diese wilde Pantomime grotesk, zugleich aber weckte sie in ihr eine dunkle und beängstigende Erinnerung. Ein dumpfes Grollen, das aus den Tiefen der Erde aufzusteigen schien, bestätigte ihre Ahnung. Der Boden begann zu beben, und ein feiner Regen aus Erde und Staub rieselte von der Decke. Die verblüfften Dämonen starrten um sich herum, wie Tiere in der Falle. Einen Pulsschlag später brach in einem Donnern, als sei das Ende der Welt gekommen, die ganze Grotte ein. Lliane nahm verschwommen die triumphierende Siegesgeste Tsimmis wahr, und erinnerte sich an die Mauer aus Erde, die sie selbst vor einigen Tagen im Sumpf von Gwragedd Annwh verschlungen hatte. Und dann verschwand der Meister der Steine, der Magier der Minerale und der Erde unter den Trümmern.
Die Fackeln waren beim Einsturz der Grotte begraben worden, lagen unter den Trümmern, die Flammen waren vom Staub erstickt. Lliane hockte zusammengekauert da und kreischte vor Entsetzen, aber kein Felsbrocken hatte sie getroffen. Nicht einmal der kleinste Kieselstein. Innerhalb des von Tsimmi gezeichneten Zirkels lag die Höhle unversehrt. Auch das Gewölbe darüber hatte sich nicht bewegt, wogegen ringsumher nur noch eine steinerne Trümmerwüste zu sehen war, über der ein Nebel aus Staub hing. Die Dämonen waren unter dem zerborstenen Gestein begraben. Die Grotte lag in völliger Dunkelheit, so dass selbst Lliane die Augen zusammenkneifen musste, um auch nur eine Handbreit weit sehen zu können.
»Lliane!«
Sie erkannte Uthers Stimme und die ganze Furcht, die in ihr lag. Ein angstvoller Schrei Frehirs, der nach dem Ritter rief, war die Antwort. Wahrscheinlich hatten die beiden gar nicht gesehen, wie Tsimmi seinen Zauber angewandt hatte. Der Einsturz der Höhle hatte sie überrascht, und jetzt, allein in der Dunkelheit, mussten sie sich gefragt haben, wie sie davongekommen waren, und einander umhertastend gesucht haben, ohne zu wissen, wer von ihnen überlebt hatte. Die Elfen hatten die Furcht der Menschen vor der Nacht nie geteilt, ihre Panik vor der Dunkelheit und ihre Hast, sobald die Dämmerung herannahte, Fackeln und Laternen anzuzünden, um sich davor zu beschützen, auf die Gefahr hin, ihre Holzhäuser niederzubrennen. Aber Lliane konnte die Angst ihrer Gefährten dennoch nachvollziehen.
Wieder rief Uther nach ihr, und Lliane, gerührt vom herzzerreißenden Ton seines Schreis, lief zu ihm.
»Ich bin hier«, sagte sie, kniete sich neben ihn und legte ihre Hand auf seine Wange.
Uther schreckte hoch, starrte sie an wie ein Blinder und betastete ihr Gesicht und ihre Arme, um sie dann erregt zu umarmen.
»Du lebst! Lliane, sag etwas, ich kann dich nicht sehen ...«
»Ich bin hier«, wiederholte sie. »Mir fehlt nichts, und Frehir auch nicht. Es ist Tsimmi, der uns gerettet hat, indem er rings um uns die Grotte zum Einsturz gebracht hat ... Die Dämonen sind alle tot, oder wenn noch welche leben, dann sind sie auf der anderen Seite.«
»Gut gemacht, Meister Tsimmi!«, rief Uther.
Aber niemand antwortete.
»Tsimmi?«
Die Elfe spürte, wie ihr Herz sich zusammenzog. Und wirklich, sie hatte ihn ja nirgendwo gesehen ...
»Tsimmi? ... Lliane, kannst du ihn sehen?«
Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, in der undurchdringlichen Dunkelheit der Höhle etwas zu erkennen. Wohin sie blickte, war nur Geröll, das sie umgab wie eine unendliche hohe Brunnenwand, als wäre die gesamte Grotte um sie herum eingestürzt. Sie erahnte die auf dem Boden in einer Pfütze aus schwarzem Blut liegende Gestalt eines toten Dämons mit eingedrücktem Brustkorb und Schädel, den die Felsen erschlagen hatten. Neben ihm glühte noch schwach seine zertrümmerte Fackel. Sie riss sich aus Uthers Umarmung los, stürzte auf das Holzscheit zu und hielt ihre
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