Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
Dieb war regungslos sitzen geblieben. Das Kinn in die Hand gestützt, spielte er geistesabwesend mit einer Silbermünze. Vielleicht war das ja die Gelegenheit, auf die er so lange gewartet hatte ... Einen großen Coup landen und dann verschwinden, ein Stück Land kaufen und irgendwo als Gutsherr leben, wo die Leute nicht zu viele Fragen stellten ... In den Marken zum Beispiel. Gegen die Dämonenangriffe würde er sich schon zu verteidigen wissen, und dahin käme niemand und machte ihm sein Rittergut streitig.
Blade schreckte auf. Ein anderer Mann hatte sich ihm gegenübergesetzt, mit einem Weinkrug in der Hand.
»Ihr müsst nicht glauben, was dieser Säufer euch da erzählt hat, Herr. Der ist von morgens bis abends besoffen.«
»Ihr habt Recht«, sagte der Dieb. »Aber daran dachte ich gar nicht. Seine Geschichte hat mich amüsiert, alles in allem war sie wohl ein Bier wert.«
»Bei Gott, das ist allerdings wahr’«, meinte der Mann und lachte kurz auf. »Obwohl ...«
Mit einem Mal fühlte sich Blade unbehaglich. Der Unbekannte, der halb unter einem formlosen Mantel verschwand, glich in nichts den übrigen Gästen. Eine beeindruckende Narbe lief im Zickzack bis zu der leeren rechten Augenhöhle, über seine Wange, und seine kräftigen Unterarme mussten einen Troll mir nichts, dir nichts in der Mitte durchbrechen können, obwohl der Mann nicht sehr groß war und schon alt.
Der Unbekannte musterte Blade eindringlich.
»Obwohl doch ein Körnchen Wahrheit in dieser Geschichte steckt«, fuhr er fort.
»Tatsächlich?«, meinte der Dieb im Aufstehen. »Nun, um so besser, aber ich muss jetzt ....«
Die Hand des Einäugigen fiel auf Blades Arm, umschloss ihn wie ein Schraubstock und zwang ihn so, sich wieder zu setzen.
»Trink einen Schluck mit mir!«
Er schenkte ihnen beiden Wein ein, stieß an und trank seinen Becher mit einem Zug aus. Blade zögerte zunächst, dann trank auch er. Auf das Bier hin hatte der Wein einen unangenehmen Geschmack.
»Sieh mal«, sagte der Mann und ließ seinen Arm los. »Erkennst du diesen Ring wieder?«
Der Dieb senkte die Augen. Es war ein goldener Ring mit einem roten Edelstein von beeindruckender Größe. Das Schmuckstück eines Hochadligen, das man in der Unterstadt besser nicht herumzeigte ... Der Mann bediente eine versteckte Mechanik, die den Edelstein zur Seite schob. Darunter kam eine seltsame Zeichnung zu Tage. Blades Herz setzte einen Schlag lang aus. Der Ring trug eine Prägung der Rune Beorns, einen dreiarmigen Baum, im Allgemeinen Symbol eines reichen oder adligen Herrn, der aber für eine kleine Gruppe Eingeweihter auch das Erkennungszeichen des exklusivsten Geheimbundes des Königreichs war - der Gilde. Blade konnte nicht umhin, auf seinen eigenen Finger zu sehen, den ein Ring mit denselben Zeichen schmückte, jedoch einer aus Kupfer.
»Dort draußen«, murmelte der Mann, »stehen die Soldaten des Königs. Sie haben den Befehl, Blade, den Dieb, zu verhaften, sobald er die Nase zur Tür herausstreckt. Braunes, kurzes Haar, weder Bart noch Schnauzer, keine auffällige Kleidung, kein Schmuck, keine besonderen Merkmale ... Ach, doch, die Narbe ... Obwohl, mit dem Kragen, den du trägst, kann man die nicht sehen. Ich frage mich, ob sie dich wohl erkennen werden ...«
Der Meisterdieb schauderte, aber der Mann lächelte friedfertig. Er zog die Kapuze seines Mantels ab, und Blade wich unwillkürlich zurück, als er das Gesicht des Hausmeiers erkannte, des Seneschalls Gorlois höchstpersönlich ... Die Tische um sie herum waren binnen weniger Augenblicke leer. Blade war nicht der Einzige, der den Herzog erkannt hatte.
Gleichgültig setzte Gorlois den Krug direkt an die Lippen, trank und sah dann wieder den Dieb an. Dem kam es vor, als lache das eine Auge jetzt.
»Was wollt Ihr?«
Der Seneschall begann, wie er es so oft tat, mit einem seiner mit einem roten Band durchflochtenen Zöpfe zu spielen.
»Ich glaube, du bist der Mann, den ich brauche, Blade ... Offen gestanden hast du auch gar nicht die Wahl.«
Zwei Tage lang bewegte der Trupp sich in zügigem Tempo nach Norden und legte in dem kalten, aber trockenen Wetter täglich dreißig Meilen zurück. Am dritten Tag begann gegen Mittag ein eisiger Nieselregen zu fallen, der den Trupp bis auf die Knochen durchnässte und zwischen Himmel und Erde einen dichten grauen Dunstschleier spann. Menschen, Elfen, Zwerge, Ponys, Pferde und freie Pferde zogen den Kopf zwischen die Schultern und schritten schweigsam voran. Die
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