Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
Sire?«
»Wir sind wirklich von Dieben angegriffen worden, Meister Tsimmi. Ich habe um mein Leben kämpfen müssen, aber der Elf hat mich gesehen. Ich konnte doch nicht riskieren, dass er seiner Königin und dem Spurensucher erzählt, dass er mich beim Kampf beobachtet hat.«
»Ihr habt ihn also getötet...«
Rogors Augen sprühten vor Zorn.
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Habt Ihr vergessen, dass meine Identität geheim bleiben muss?«
Tsimmi wiegte bedächtig den Kopf und strich sich mit seiner rauhen Hand den langen braunen Bart glatt.
»Vergesst aber auch nicht, Sire, dass wir keinen neuen Krieg zwischen Elfen und Zwergen provozieren wollen, ja?«
Rogor antwortete nicht.
»Ja?«
Der rote Krieger wollte etwas antworten, aber dann sah er in die grauen Augen des Meisters der Steine, und er schwieg. Man erzählte sich so viele Dinge über diese Meister der Steine. So viele kaum zu glaubende und erschreckende Dinge, die sich hinter den grauen Augen dieses kleinen Zwerges verstecken mochten, der so sanft und harmlos aussah und lediglich mit einem Streithammer und einer Schleuder bewaffnet war.
»Ich bin Euer Diener, Meister Tsimmi«, sagte Rogor und schauderte unter dem Regen.
»So viel verlange ich gar nicht.«
Die beiden Zwerge blickten einander noch einen Moment lang schweigsam an, dann fasste der Meister der Steine Rogor herzlich am Arm.
»Ihr werdet ein großer König sein, Sire Rogor. Gehen wir etwas essen ...«
Der Dämon
In der Herberge herrschte beinahe ebensolches Gedränge wie in den Straßen von Kab-Bag. Ein Ekel erregender Frit- tiergestank hing in der Luft und mischte sich mit den
Schweißausdünstungen Dutzender und Aberdutzender von Reisenden. Ein kleines Podium in einer Ecke überragte den Saal, auf dem den Gästen ununterbrochen Darbietungen der verschiedensten Gaukler und zweier junger Gnominnen gebo- ten wurden, die splitternackt im Rhythmus der Flöten und Tambourine tanzten und dabei ebenso graziös wirkten wie Fi- sche auf dem Trockenen.
Der Eintritt der Gesandten des Großen Rats hatte eine plötzliche Stille provoziert und mehrere Esser in die Flucht geschlagen, deren Gewissen ebenso schwarz war wie der Himmel über der Stadt. Nach und nach hatten die Unterhaltungen von neuem eingesetzt, bis schließlich wieder der ohrenbetäubende Lärm herrschte, der in dieser Art Lokale die Regel war.
Die Reisenden waren nur noch zu viert. Miolnir, muffliger denn je, war zu Bett gegangen. Rogor, der Page, hatte sich in den Stall zurückgezogen, um während der Nacht ein Auge auf die Pferde zu haben. Und Till, der Spurensucher, war lautlos verschwunden, nachdem er einige Worte ins Ohr der Königin geflüstert hatte. Er hatte ein Pferd mitgenommen, das Llewelins Leiche trug, und die bedrückende Atmosphäre der Stadt hinter sich gelassen, um den Körper des Pagen der Natur zurückzugeben und die Nacht mit seinem Hund und seinem Falken im Schutze eines Wäldchens außerhalb von Kab-Bag zu verbringen.
Trotz seiner Müdigkeit bemühte sich Uther, der Braune, der endlosen Geschichte zu lauschen, die Tsimmi erzählte, während er an seiner weißen Tonpfeife zog. Es war eine Geschichte, die unter dem Berg sehr beliebt war, und Tsimmi war ein guter Erzähler, aber für einen Menschen war es beinahe unmöglich, ihr zu folgen, so zahlreich waren die Abschweifungen und Anspielungen auf große Zwergengeschlechter, die mit all ihren Titeln erwähnt wurden. Uther hatte den Faden schon seit geraumer Zeit verloren. Der junge Ritter warf von Zeit zu Zeit einen kurzen Blick auf die Königin der Hohen Elfen, die den Zwerg mit einem undefinierbaren Lächeln ansah und kerzengerade dasaß. Aber das wollte nichts heißen ... Lliane konnte genauso gut mit geöffneten Augen schlummern.
Frehir dagegen scherte sich wenig um die Gebote der Höflichkeit. Er kehrte dem Tisch ganz offen den Rücken zu, lachte dreckig oder applaudierte begeistert den verschiedenen Nummern, und soweit Uther es hatte mitverfolgen können, hatte er gewaltige Mengen Wein zu sich genommen.
Hundertmal glaubte Uther den Moment gekommen, sich entschuldigen und aufstehen zu können, wenn der Zwerg sich die Zunge mit einem Schluck Wein befeuchtete. Aber leider war der Meister der Steine jedes Mal schneller und wandte sich, als würde er es mit Absicht tun, dem Ritter persönlich zu oder legte ihm die Hand auf den Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erheischen.
Seit drei Tagen hatte Uther seine Rüstung nicht abgelegt, und er erbebte
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