Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
»Jedenfalls zum größeren Teil von ihm.«
Adrien kniete vor dem Stein nieder und legte seine Hand darauf. Hier lag der Mann, der gewusst hatte, wo das Blumenmädchen war. Elodia. War das alles, was er von ihr finden sollte? Nur ihr Name?
»Deine Fragen, Junge, sind auch mir schon durch den Kopf gegangen. Welches Geheimnis hat diese Stadt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem Archiv, das einfach so in Flammen aufgeht, und einem Hauptmann der Stadtwache, der sich plötzlich das Leben nimmt? Ich habe aufgegeben, nach der Antwort zu suchen. Die Stadtwachen werden auch deshalb ausgetauscht, damit man von vorne beginnen kann. Ich weiß nichts von den alten Verbrechen, und so soll es bleiben. Ich möchte nicht, dass du die Stadt noch einmal betrittst. Dass du aufweckst, was zusammen mit meinem Vorgänger begraben wurde. Was immer du hier suchst, Ritter, es ist verschwunden.«
Adrien richtete sich wieder auf. Er war ein ganzes Stück größer als der alte Krieger. »Weißt du, in welche Stadt nach Drusna die Wachen geschickt wurden?«
»Bei Tjured, du wirst doch nicht etwa versuchen, sie zu finden, Junge! Niemand geht freiwillig dorthin. Ohne einen Hauptmann wird man sie verteilt haben. Gott allein weiß, wo sie überall stecken. Warum suchst du sie überhaupt?«
»Ich will ein Mädchen wiederfinden, das vor sieben Jahren Blumen auf dem Heumarkt verkauft hat. Und einige der Stadtgardisten müssen wissen, was aus ihr geworden ist.« »Ein Blumenmädchen! Schlag dir das aus dem Kopf! Das ist eine Aufgabe, wie Märchenritter sie sich stellen. Du müsstest ein Narr sein, wenn du freiwillig nach Norden reitest. Ein Krieg zieht dort herauf. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede! Ich komme von dort, und ich bin froh, nun in einer Stadt wie Nantour Dienst zu tun. Alles, was ein junger, romantischer Held wie du an der Grenze nach Drusna finden wird, ist der Tod.«
»Sehe ich aus wie einer der Ritter, die dir zuvor in deinem Leben begegnet sind?« »Nein, natürlich nicht, das weißt du!«
Adrien lächelte. »Dann muss ich wohl ein Märchenritter sein.«
DER WAHRHEIT VERPFLICHTET
»Was über Kindheit und Jugend des Heiligen Michel Sarti berichtet wird, sind Volkslegenden! Seit über hundert Jahren lebt niemand mehr, der den Heiligen kannte. Michel selbst hat über seine Jugend geschwiegen. Und ich will es ihm gleichtun! Anders als die Schwätzer, die erzählen, der heilige Jules sei sein Vater gewesen und habe ihn in einem verwunschenen Tal großgezogen, oder die sich nicht schämen zu behaupten, der Heilige habe mit seinem Pferd gesprochen, mit dem er durch den Himmel zu reiten vermochte! Einige Ketzer behaupten sogar, der Heilige sei in seiner Jugend ein berüchtigter Söldnerführer gewesen.
Ich bin der Wahrheit verpflichtet. Nichts anderes soll hier stehen! Der erste verbürgte Bericht über Michel Sarti ist ein Brief, der vom Hauptmann Malmon, dem Stadtkommandanten von Ulmenburg, überliefert wurde. Er schreibt an Balduin, den Hofmeister des Königs Cabezan, vom Hungerwinter und vom weißen Ritter, der seinen Männern Halt und Hoffnung gab, als die Stadt vom drusnischen Fürsten Arsi belagert wurde. Zugleich beklagt er, dass sieben der tapfersten seiner Männer sich der Kirche unterstellt hätten und ein Ordenshaus gründeten. Fortan führten sie den Aschenbaum im Schilde und dienten keinem anderen Herrn als Tjured mehr. Diese sieben und der geheimnisvolle weiße Ritter waren es, die während eines Schneesturms ganz allein gegen das Heerlager der Drusnier ritten. Und Tjured war an ihrer Seite, denn sie verbreiteten solchen Schrecken unter den Feinden, dass diese flohen und viele von ihnen in den eisigen Fluten des Alda ertranken. Die Vorräte des drusnischen Heerlagers aber brachten die Sieben nach Ulmenburg und sie teilten sie gerecht unter den Einwohnern auf, und so ward die Stadt gerettet, als ihr Untergang schon besiegelt schien.
Wie in vielen alten Urkunden zu lesen ist, ist Ulmenburg der Ort, an dem das erste Ordenshaus des Ritterordens vom Aschenbaum gegründet wurde. Und auch wenn Hauptmann Malmon den Namen des weißen Ritters nicht nennt, so kann es keinen Zweifel geben, dass der Unbekannte niemand Geringerer als Michel Sarti war.
Nach der Schlacht an der Alda verließ der Heilige Ulmenburg. Oft ritt er allein in die Wälder und suchte nach versprengten Kriegern, oder er suchte einsame Waldburgen auf, um den Männern, die in der Wildnis verloren waren, Trost und Beistand zu bringen. Nicht weniger als
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