Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Baumkronen durchdrangen, hüllte ihn in kaltes, graues Winterlicht.
Emerelle blieb vor dem Monolithen stehen. Sie neigte ihr Haupt, so dass ihre Stirn den zerfurchten Stein berührte. Reglos verharrte sie. Ihre Lippen bewegten sich lautlos. »Was willst du, gefallene Königin?«
Falrach unterdrückte den Instinkt, nach seinen Schwertern zu greifen. Er vermochte nicht zu sagen, aus welcher Richtung die Stimme gekommen war. Nervös drehte er sich um und spähte ins Zwielicht. Nebel stieg zwischen dem verschlungenen Wurzelwerk auf. Obwohl es hier, tief im Wald, völlig windstill war, bewegte er sich in wogenden Spiralen, so als sei er nicht nur Wasserdampf, sondern etwas von Leben Erfülltes. »Ich suche Melvyn, den Sohn Silwynas.«
»Er ist keiner mehr von uns. Er hat sich entschieden, diese Welt zu verlassen.« Der Nebel kroch jetzt um Falrachs Füße. Zwischen den Bäumen erschienen schattenhafte Gestalten. Nervös ballte der Elf die Hände zu Fäusten und streckte sie wieder. Die Maurawan galten als launisch und grausam. Selbst Elfen gegenüber. »Wohin ist er gegangen?«
»Warum sollten wir dir das sagen?« Noch immer schien die Stimme von überall und nirgends zu kommen. Es war unmöglich, sie einem der Schattenkrieger zuzuordnen. »Weil er mich auf den Gipfel des Albenhauptes führen wird.«
Falrach schloss die Augen. Was war das für eine Argumentation! Stille lastete auf dem Wald. Der Nebel reichte ihm nun schon bis zu den Knien. »Er sucht lieber im Schoß seines Weibes Zuflucht, als seine Freiheit im Kampf gegen die Trolle zu behaupten. Was lässt dich glauben, dass er dich zum Albenhaupt führen wird, um dort mit dir den Tod zu finden?«
»Ich werde ihm versprechen, dass er dort seinem Vater begegnen wird. Ich weiß, wie sehr es ihn quält, seinen Vater nie gesprochen zu haben. Er wird mit mir kommen.« »Sein Vater ist tot. Wie sollte er ihm auf dem Gipfel eines Berges begegnen können?« »Wir werden dort die Alben finden«, sagte Emerelle mit einer Selbstsicherheit, die Falrach fassungslos machte. Der Orakelspruch der Gazala mochte alles Mögliche bedeuten. Ihn so auszulegen, war reine Willkür.
Eine der Schattengestalten trat vor. Eine Elfe, die ihr Gesicht mit dem rotbraunen Saft des Dinko-Busches bemalt hatte. Ihr Haar war streng zurückgekämmt und zu einem schweren Zopf geflochten. Sie trug abgewetzte Jagdkleidung. Ihre Augen waren von kaltem, hellem Blau. Die Iris umgeben von einem feinen, schwarzen Rand. Wolfsaugen, dachte Falrach.
»Mein Sohn lebt in den Bergen nahe der Menschensiedlung Firnstayn«, sagte sie. »Es wird gut für ihn sein, wenn er endlich seinen Frieden findet, auf die eine oder andere Art. Wenn er versucht, auf das Albenhaupt zu steigen, wird man sich an ihn nicht als den Maurawan erinnern, der vor dem Kampf mit den Trollen davongelaufen ist.« Falrach traute seinen Ohren nicht. Da lieferte die eigene Mutter ihren Sohn aus! Sie waren verrückt, die Maurawan! Ohne Zweifel verrückt! »Was willst du hier, Ollowain?«
Auf das Albenhaupt würde er Emerelle nicht folgen. Er hatte sich geopfert, um sie vor dem Feuerodem eines Drachen zu bewahren; darin hatte er einen Sinn gesehen. Aber diese Suche nach den Alben … Sie jagte nur einem Hirngespinst nach. Da es den Maurawan offensichtlich gefiel, Verrückten zu helfen, sollte er in dieselbe Kerbe schlagen. »Ich suche Verbündete, die mir helfen, den König der Trolle zu stürzen und Albenmark wieder in die Hände eines Elfen zu geben.« »Warum sollte dir gelingen, was uns in mehr als elf Jahren nicht glückte?« »Weil ihr bisher keinen Anführer hattet, der eure Schwächen zu euren Stärken gemacht hat.«
SPÄTHERBSTNACHMITTAG
Cabezan saß auf einem aufgepolsterten Lehnstuhl auf der Terrasse seines Palastes und blickte zu den nahen Weinbergen. Wie fleißige Ameisen krochen die Weinbauern und ihre Helfer die Hänge entlang. Es war ein guter Sommer gewesen, dieses Jahr. Es hatte viel Sonne, aber auch genug Regen gegeben. Ein Sommer, der kräftige, süße Trauben hervorgebracht hatte. Dieses Jahr würde einen vorzüglichen Wein hervorbringen. Der König hatte ein schweres Bärenfell auf den Knien liegen. Er streckte sein Gesicht der Sonne entgegen und genoss die milde Wärme des Spätherbstnachmittags. Er hatte sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt. Aber ein Blick in Balduins Gesicht genügte, um ihn ahnen zu lassen, dass dieses Glück nicht mehr lange währen würde. Außer seinem Hofmeister war nur noch Tankret
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