Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
unruhig. Sie wollen fort!«
Sie richtete sich auf. Ein letztes Mal blickte sie auf das Buch. Sie war sich sicher, es würde nicht mehr hier sein, wenn sie später noch einmal zurückkehrte.
Die Adler weiteten ihre Schwingen. Sie stießen sich vom Schneefeld ab und glitten dem Tal entgegen. Dann machten sie eine Kehre und kamen mit kräftigen Flügelschlägen zurück. Emerelle konnte sehen, wie sie von böigen Winden hin und her geworfen worden. Sie lief zu Melvyn. Er kontrollierte noch einmal ihr Gurtzeug. »Was hast du da gemacht?«
»Abschied von meiner Familie genommen.«
Er sah sie scharf an. Er konnte es nicht verstehen. »Ich muss nach Vahan Calyd«, sagte sie.
VORAHNUNG
Jules drehte sich von den Säcken und setzte die Füße auf den Boden. Er war mit Mehlstaub bepudert. Er hatte es noch nie in einer Mühle getan. Er sah an sich hinab. Er sah aus wie ein Geist.
Die Blonde schlief noch. Es war Zeit, zu gehen. Er hatte Spaß gehabt. Es war gut, kein Pferd mehr zu sein! Er würde zur nächsten Schenke ziehen. Er brauchte Bier. Er würde noch sehr viel Bier brauchen, um Stroh, Hafer und das brackige Wasser aus den Tränken zu vergessen. Auch als Pferd hatte er sich gelegentlich kurze Ausflüge gegönnt, aber es waren immer nur gestohlene Stunden gewesen.
Er trat vor die Tür und blickte zum Himmel hinauf. Ein schmaler Sichelmond leuchtete zwischen den Wolken. Warum war er schon wach? Er hatte kaum geschlafen. Er rieb sich über die stoppeligen Wangen und dachte an den Jungen. Wo Adrien wohl gerade steckte? In den letzten Monden hatte sich der Junge gut gemacht. Er sollte ihn alleinlassen, verdammt nochmal, er war doch nicht dessen Amme. Adrien steckte in einer Rüstung, die ihn fast unverwundbar machte. Und seit er nicht mehr dem Mädchen nachjagte, machte er auch deutlich weniger Unsinn.
Jules streckte sich und rülpste. Er hatte am Abend zu viel gegessen. Er blickte wieder zu der schlafenden Müllerin. Sie wäre es wert gewesen, ein paar Tage zu bleiben. Es war nett mit ihr. Sie hatte einen sehr schrägen Humor und war begeistert, einen Tjuredpriester in ihrem Bett oder auf ihren Mehlsäcken liegen zu haben.
Wieder blickte er zum Mond hinauf. Etwas war mit dem Jungen nicht in Ordnung. Er spürte es. Seine Vorahnungen hatten sich immer als richtig erwiesen. Deshalb lebte er noch, während alle anderen Devanthar tot waren.
Vernünftig war es nicht, zu gehen … Er sollte sich dem Jungen auch nicht zu erkennen geben. Wenn alles in Ordnung war, könnte er sich wieder zurückziehen. Wo Adrien wohl steckte? War er etwa zu Cabezan gegangen? Zwei Jahre lang hatte er sich davor gedrückt, dem König gegenüberzutreten. Nachdem er in Drusna die Spur seiner Elodia verloren hatte, wäre genug Zeit gewesen, sich dem König zu widmen. War er die Sache ausgerechnet jetzt angegangen? Cabezan würde ihm Schwierigkeiten machen.
Jules stellte sich vor, wie sich der Junge nach der Strafpredigt, die er ihm zum Abschied gehalten hatte, ein Pferd besorgt hatte und geradewegs zu Cabezans Palast geritten war. Zuzutrauen war ihm das. Ohne Plan einfach dort hineingehen. Da waren nie weniger als fünfzig Leibwachen. Alles handverlesene Kämpfer. Genügend, um den Jungen niederzuringen. Wenn Adrien in Schwierigkeiten geriet, dann würde es in Cabezans Palast sein.
Jules blickte ein letztes Mal zur Müllerin. Nur ein paar Tage, dann wäre er wieder zurück. Nur ein paar Tage! Wahrscheinlich bildete er sich alles nur ein, und Adrien stand auf irgendeinem Marktplatz, ließ sich bewundern und predigte. Das machte er zugegebenermaßen gut.
Wahrscheinlich rührte sein ungutes Gefühl nur von dem zu üppigen Abendessen. Er zog sein blaues Priestergewand über und ging die schlammige Straße entlang, die zur Brücke am Ende des Dorfes führte. Der nächste Albenstern war ein gutes Stück Weges entfernt. Und es gab auch keinen Stern in der Nähe von Cabezans Palast. Er würde eine ganze Weile brauchen, bis er dort war. Vielleicht zwei Tage … Vielleicht ein wenig länger. Sicher hatte er nur zu viel gegessen. Er war zu lange mit Adrien zusammen gewesen. Er war nur ein Mensch, er sollte nicht dauernd an den Jungen denken. Er würde ohnehin sterben. Es war besser, keinen von ihnen so sehr kennenzulernen. Sie starben einfach zu schnell, wohingegen er alterslos durch die Jahrhunderte wanderte.
Was für einen Unsinn er doch dachte! Durch die Jahrhunderte wandern! In diesem Augenblick ging er barfuß auf einer verschlammten Landstraße. Und
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