Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
sich für die dritte. Bald wäre die Wahl vorüber. Noch einmal peilte er über die Führungsschiene des Torsionsgeschützes. Er blickte zu der Markierung, die ihm den Tidenhub anzeigte. Dann rief er sich das Raster in Erinnerung, in das der Hafen unterteilt war. Er suchte nach den Referenzmarkierungen und berechnete die Entfernung. Er korrigierte den Neigungswinkel des Geschützes leicht.
Ihm war klar, dass etwas grundlegend anders verlief, als Elija es geplant hatte. Dass die beiden Kobolde nicht auf der Prunkbarkasse erschienen waren, konnte eigentlich nur bedeuten, dass sie tot waren.
Er peilte ein letztes Mal nach ihrem Kopf. Sie hatten sich kaum bewegt. Alle standen sie auf ihren Plätzen wie angeklebt. Gut so! Er legte die Kugel auf die Führungsschiene. Jetzt konnte er sein Ziel nicht mehr sehen.
Er legte die Hand auf den Abzugshebel. Der Lauf der Geschichte würde sich ändern. Er legte den Hebel um.
WIE EIN HAMMERSCHLAG AUF FLEISCH
Orgrim, Herzog der Nachtzinne. Deine Stimme!« Emerelle hielt den Atem an.
»Ich enthalte mich der Stimme«, sagte der Herzog der Nachtzinne stockend.
»Was!«, fuhr Skanga ihn an. »Du …«
Gilmarak trat vor. Fassungslosigkeit spiegelte sich in seinem Gesicht. Er machte noch einen Schritt. »Du …« Der Troll wurde nach vorne gerissen. Es gab ein Geräusch, als sei ein Hammer auf Fleisch niedergefahren. Blut sickerte aus dem Mund des Trollkönigs. Alle auf dem Schiff standen wie versteinert. Skanga kniete neben ihm nieder. Emerelle drängte sich an den beiden Kentauren vorbei.
Die gichtkrummen Finger der Trollschamanin tasteten über Gilmaraks Rücken. Sie wirkte alt und hilflos. Noch nie hatte Emerelle sie so gesehen.
Die Elfe kniete sich ebenfalls neben den Troll. Schmetterlinge ließen sich in Gilmaraks Nacken nieder.
Skanga verscheuchte sie mit einer ärgerlichen Handbewegung. »Nimm deine Viecher weg, Elfenschlampe!«
Emerelle berührte den Troll und zuckte zurück. Der Schmerz hätte sie fast betäubt. Das Fleisch über seiner linken Schulter war zerquetscht, das Schulterblatt zersplittert. Die Rippen darunter waren gebrochen und hatten seinen linken Lungenflügel durchbohrt. Eine Knochenspitze drückte auf sein Herz. »Darf ich helfen?«, fragte Emerelle ruhig.
»Du?« Skangas tote Augen durchbohrten sie förmlich. »Du hast doch den Befehl daz gegeben!«
»Ich schwöre dir, dass es nicht so ist.«
»Gib mir deine Hand!«
Die Elfe reichte ihr die Rechte. Skangas Klauenfinger schlossen sich darum. Sie hob die Hand an ihre Stirn und presste sie fest dagegen. Zwei, drei Herzschläge nur. Dann ließ sie sie sinken. »Hilf ihm«, sagte sie sehr leise. »Du kannst es besser als ich.«
Emerelle atmete tief ein. Sie bereitete sich auf den Schmerz vor, der sie treffen würde. Sie lauschte auf das leise Rascheln der Schmetterlingsflügel. Auf die unheimliche Stille der Menge auf den Kais. Bald würde Panik ausbrechen. »Du musst zu ihnen sprechen, Skanga. Und bitte nicht von Mord und Todschlag. Du spürst ihre Angst auch, nicht wahr?«
Emerelle legte beide Hände flach auf Gilmaraks Rücken und ergab sich dem Schmerz.
DIE ROTE LATERNE
Nikodemus war, so weit er konnte, den Achtersteven hinaufgeklettert, um einen besseren Blick zu haben. Die Prunkbarkasse war etwas mehr als fünfzig Schritt ent fernt. Es herrschte ein heilloses Durcheinander auf Deck, seit Gilmarak gefallen war. Alle drängten sich um den Trollfürsten. Wolken von Schmetterlingen und Glühwürmchen tanzten über den Trollen, Elfen und Kobolden.
»Ist er tot?« rief er zu Liza hinauf, die vom Mastkorb aus einen besseren Blick hatte. »Ich kann es nicht erkennen«, antwortete sie nach einer Weile. »Und siehst du Elija?«
Sie schwieg. Er hatte sie das mindestens zwei Dutzend Mal in der letzten halben Stunde gefragt. Elija würde niemals zu spät kommen. Nicht in dieser Nacht! Es musste etwas passiert sein. Seit Emerelle auf dem Schiff erschienen war, war Nikodemus am Rande der Panik. Er hätte nicht damit gerechnet, dass sie kommen würde. Stand ihr Erscheinen mit dem Verschwinden seines Bruders in Zusammenhang?
Gilmarak ermordet, Elija verschwunden. Die Dinge lagen ganz klar. Sie würde sich ihren Thron zurückholen. Und er hatte sich für die falsche Seite entschieden. Er hatte nicht mit Falrachs Spitzeln Kontakt aufgenommen, obwohl diese mehrfach versucht hatten, an ihn heranzutreten. Er hatte ihn und Emerelle verraten. Nicht seinen Bruder. Wo waren die Elfen gewesen, als Birga ihn folterte!
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