Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
dem er seine zerlumpte Hose zusammengebunden hatte. So konnte er die Saufeder mit beiden Händen fassen. Argwöhnisch sah er sich um. Noch war er allein. Vorsichtig, jedes unnötige Geräusch meidend, schlich er über den Uferstreifen.
Knochenbleiches Treibholz markierte die Hochwassermarke des Flusses. Dort begann das Dickicht. Adrien schob die Zweige mit dem Speer auseinander. Hier war es unmöglich, sich noch lautlos zu bewegen. Wenn etwas auf Beute lauerte, dann hatte es ihn nun gehört.
Er drückte sich um einen hausgroßen, grauen Felsen herum. Verwaschene Rußspuren zogen sich über den Stein.
Adrien blickte zu Boden. Hier war einmal eine Feuerstelle gewesen. Er erkannte den Steinkreis eines Lagerfeuers, halb unter Dornenranken verborgen. Holzkohlestückchen lagen im Geröll. Nur ein paar Schritt weiter fand er die nächste Feuerstelle. Dann noch eine. Bald hatte er mehr als ein Dutzend gefunden. In einer Felsmulde fand er einen einzelnen Eisenring aus einem Kettenhemd. Rost wucherte wie roter Schorf auf dem Metall und hatte die Mulde, in der der Ring lag, rot gefärbt.
Adrien hob den Ring auf und rieb ihn zwischen den Fingern. Das Metall unter dem Rost war fast schwarz. Die Zeit hatte es spröde werden lassen. Er legte den Ring zurück. Wie lange hatte er wohl in der Felsmulde gelegen … Fünf Jahre? Zehn? Ein halbes Jahrhundert? Hier hatte also einmal eine Schar Bewaffneter gelagert. War es Cabezan mit seinem Heer gewesen? In den Geschichten, die Adrien kannte, war nicht die Rede davon, wie er in die Berge gelangt war. War er hier mit einer Flotte von Flussschiffen vor Anker gegangen? War dies der Ort, den er einst fluchtartig verlassen hatte? Adriens Atem ging stockend. Er musste sich beherrschen! Es ging schon wieder los. Er hatte einfach zu viel Vorstellungskraft. Was immer geschehen war, es war eine Ewigkeit her. Wahrscheinlich hatten die Krieger hier zu einer Zeit gelagert, in der er noch nicht einmal geboren gewesen war. Jetzt gab es hier keine Gefahr mehr, redete er sich ein.
Mit einem klammen Gefühl strich er weiter durch das Dickicht. Bald erhoben sich erste Bäume über das Buschwerk, Birken und einzelne Pappeln. Dann folgten Eichen und Buchen. Leichter Wind strich über die kahlen Bäume hinweg. Der Nebel lichtete sich und zog in ausgefransten Bändern zwischen den dunklen Stämmen dahin. Es roch nach fauligem Laub und nasser Rinde.
Adrien verharrte. Da war ein fremder Laut! Er lauschte. Leise raschelten die Äste über ihm. Das Rauschen des Windes in den Bäumen klang beruhigend. Hatte er sich vielleicht getäuscht? Zögerlich ging er weiter. Das Laubpolster schluckte das Geräusch seiner Schritte. Da war es wieder! Ein leises Klirren irgendwo links vor ihm. Was sollte er tun? Nicht darauf achten und weitergehen? War es klug, etwas Unbekanntes in seinem Rücken zu wissen? Wäre er in der Stadt und versuchte, ein Haus für einen Diebstahl auszuspähen, würde er ein solches Risiko nicht eingehen. Adrien hielt den Atem an und lauschte. Das Geräusch kam mit dem Wind. Vorsichtig schlich er von Baum zu Baum. Etwas Helles, das aus dem welken Laub ragte, erweckte seine Aufmerksamkeit. Er kniete nieder. Ein Knochen. Er sah aus wie eine Rippe. Bissspuren deuteten auf Aasfresser hin. Sicher ein verendetes Tier! Die Wälder waren voller Tiere. Da musste es auch Knochen geben.
Und wo war der Rest des Kadavers?, meldete sich eine leise Stimme tief in ihm. Eine Stimme, die er nicht hören wollte! Irgendwelche Aasfresser hatten den Kadaver auseinandergerissen. Deshalb lagen die Knochen überall verteilt.
Die Rippe ist groß, raunte der Zweifler in ihm. Wildschweine sind auch groß! Er warf den Knochen fort. Was sollte hier schon sein!
Er hatte das Gefühl, dass es kälter geworden war. Der Wind war abgeflaut. Der Nebel wurde wieder dichter. Er war sich nicht mehr sicher, ob er noch in die Richtung ging, die ihm der Schiffer gezeigt hatte. Das fehlte gerade noch! Sich in einem Wald verlaufen, in dem es Wölfe und Löwen gab.
»Mach so weiter, dann werden deine Rippen demnächst hier im Laub vermodern.« Seine eigene Stimme zu hören, machte ihm ein wenig Mut. Er würde nicht länger herumtrödeln, sondern die Treppe suchen, von der der Schiffer gesprochen hatte. Leise summte er ein Lied. Nur um sich nicht so allein zu fühlen. Man könnte es nicht weit hören. Die sanfte Brise war ganz eingeschlafen. Der Nebel wogte träge zwischen den Bäumen. Da lag ein dicker, halbrunder Stein im Laub. Nicht
Weitere Kostenlose Bücher