Die Elfen
viele von diesen Bäumen sind so wie der alte Atta Aikhjarto?«, fragte er den Elfen.
Nuramon sah ihn an, als hätte er mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage.
»Sind die Bäume auch Albenkinder?«, setzte er nach und überraschte Nuramon abermals.
»Aber ja!«, antwortete der Elf. »Nur die beseelten natürlich. Doch in diesem Wald gibt es nicht mehr viele von ihnen. Die Zeiten sind vorüber, da der große Alaen Aikhwitan Rat hielt.«
»Alaen Aikhwitan? Ist das ein Bruder von Atta Aikhjarto?«
»So kannst du es sehen. Die Eichen sind die Ältesten. Manche sagen, sie seien die ersten Albenkinder. Du wirst Aikhwitan schon bald sehen.« Nuramon lächelte, und Mandred konnte nicht entscheiden, ob es ein schelmisches oder aber ein freundliches Lächeln war. Gefühle in den Gesichtern von Elfen zu lesen fiel ihm immer noch schwer.
Sie ritten an immer größeren Bäumen vorüber, und Mandred fragte sich, wie mächtig wohl Alaen Aikhwitan sein mochte. Wie weit mochte dessen Macht wohl reichen? »Trugen all diese Bäume einmal eine Seele?«
»Ja. Sie gehörten zu einem großen Rat. Doch das ist lange her. Und einzig Alaen Aikhwitan ist vom Rat übrig geblieben. Die anderen beseelten Bäume sind viel jünger.«
Ehrfürchtig sah Mandred sich um. Wenn die Bäume einst einen Rat gebildet hatten, dann war der Wald nun wie eine leere Ratshalle, in der nur noch das Oberhaupt saß. Wie einsam musste sich Aikhwitan fühlen!
Das Geäst der Bäume über ihren Häuptern war dicht verwoben, fast wie fein gewebter Stoff. Die Sonne blieb hinter dem hölzernen Dach verborgen; nur selten stach ein Speer aus Licht hinab zum Boden. Die Stämme wirkten wie Säulen, die Riesen erbaut hatten. Die feierliche Stimmung schien Nuramons Trübsinn zu vertreiben. Er wirkte gelöster.
Sie wichen einem mächtigen Baumstamm aus. Mandred drehte sich im Sattel und blickte zurück. Es war eine Tanne! In seiner Welt gab es nicht einmal Eichen, die einen solchen Stamm hatten.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Nuramon lachend.
»Ganz schön groß, eure…« Mandred brach mitten im Satz ab. Sie hatten den Rand einer Lichtung erreicht. In ihrer Mitte ragte eine riesige Eiche empor. Als gäbe es für diesen Baumgiganten keine anderen Jahreszeiten als den Frühling und den Sommer, trug er noch Blätter. Er war so mächtig, dass der Schatten des Stammes bis zum gegenüberliegenden Waldrand reichte.
Mandred hielt den Atem an. Der Stamm der Eiche war so gewaltig wie eine Klippe. Er sah nicht aus wie ein Baum, sondern wie etwas, auf dem Bäume wuchsen. Eine hölzerne Stiege klomm in weiten Windungen den Stamm hinauf. Und dicht unter der Krone sah Mandred ein einzelnes Fenster. Er stutzte. Dieses Fenster musste wirklich groß sein, auch wenn es sich im Vergleich zum Stamm winzig ausnahm. »Du wohnst doch nicht etwa da?«, fragte Mandred.
»Doch. Dort auf Alaen Aikhwitan wohne ich«, antwortete Nuramon gelassen.
»Auf diesem Riesenbaum?«
»Ja.«
»Aber du sagtest, er sei beseelt.« Die Vorstellung, auf etwas zu wohnen, das denken konnte, fand Mandred sehr befremdlich. Da musste man sich ja wie der Floh im Pelz eines Hundes fühlen!
»Er ist sehr gastfreundlich, das kann ich dir versichern. Seit vielen Generationen lebt meine Familie dort.«
Plötzlich senkte Nuramon den Blick. Er dachte gewiss an die Schmach, die auf seiner Familie lag. Mandred konnte das nicht verstehen. Die Wiedergeburt! Die Menschen träumten davon, doch für Nuramon schien es ein Fluch zu sein. Manche Albenkinder warteten wohl Jahrtausende auf ihre Erlösung. Jahrtausende… Das war leicht dahingesagt, doch Mandred merkte, dass er dieses Wort nicht wirklich mit Inhalt füllen konnte. Eine so gewaltige Lebensspanne war für einen Menschen nicht vorstellbar. Den Elfen aber erlaubte sie, alles, was sie taten, bis zur Perfektion zu vollenden. Ob sie sich wohl an ihre früheren Leben erinnerten, wenn sie wiedergeboren wurden? Mandred dachte an das Fest vor zwei Nächten. Sah es so aus, wenn ein Elf ins Mondlicht ging? Es war wahrhaft schön und zugleich bedrückend gewesen. Fremd. Was dort auf dem Hügel geschehen war, war nicht für Menschenaugen bestimmt gewesen!
Sie stiegen aus dem Sattel und führten die Pferde der Eiche entgegen. Mit jedem Schritt erschien der Baum Mandred bedrohlicher. »Wer ist mächtiger, Aikhjarto oder Aikhwitan?«, fragte er schließlich.
Nuramon schüttelte den Kopf. »Wie wichtig euch Menschen die Macht ist! Aber ich schätze, du willst wissen, wo
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