Die Elfen
dein Aikhjarto im Gefüge dieser Welt steht. Nun, ich kann dir darauf nur sagen: Aikhjartos Macht liegt in dem Weltentor, in seiner Weisheit und seiner Freigebigkeit.« Er deutete voraus. »Die Macht Aikhwi-tans liegt in seiner Größe, seinem Wissen und seiner Gastfreundschaft.«
Mandred war unzufrieden mit der Antwort. Diese Elfen mussten immer über Umwege reden! Wollte Nuramon damit sagen, dass man die beiden nicht miteinander vergleichen konnte? Oder waren sie einander ebenbürtig? Elendes Elfengeschwätz! Gab es bei ihnen denn nie eine einfache Antwort?
Der Elf sprach weiter. »Du musst dir keine Sorgen machen, Mandred. Schau, wie ruhig die Blätter sich im Wind wiegen, wie geschickt sie mit dem Licht spielen! Schau dir die Rinde an! Die Furchen sind so breit und tief, dass ich als Kind mit meinen Händen hinein gegriffen habe und sogar meine Füße dort Halt fanden. Ich bin daran von hier unten bis hinauf ins Haus geklettert. Er mag in seiner Größe bedrohlich wirken, aber der alte Aikhwitan hat eine gute Seele.«
Mandred musterte den Baum genauer, sah die Blätter, von denen Nuramon gesprochen hatte, und das gedämpfte Licht. Dort oben wirkte es tatsächlich friedlich.
Sie erreichten den Aufgang, der aus hellem Holz gezimmert war. Hier sattelten sie die Pferde ab. Und Mandred fragte sich, wo der Stall für die Tiere war. Selbst die Königin hatte einen Stall auf ihrer Burg gehabt. Nuramon machte keine Anstalten, die Pferde irgendwo hinzuführen. Er befreite die Tiere vom Zaumzeug und legte es zu den Sätteln an den Stamm der Eiche. »Die laufen schon nicht fort«, sagte er dann. »Lass uns hinauf gehen.«
Nuramons Pferd war treu, aber Mandreds Stute hatte ihm die Grobheiten der letzten Monde gewiss noch nicht verziehen. Es wäre zu schade, sie zu verlieren! Widerstrebend folgte er dem Elfen.
Nachdem sie auf der Stiege zum ersten Mal den mächtigen Stamm umrundet hatten, blickte Mandred nach oben. Es lag noch ein weites Stück Weg vor ihnen. Was machte Nuramon, wenn er mal betrunken nach Hause kam? Schlief er dann unten bei den Wurzeln? Andererseits hatte er seinen Freund noch nie betrunken erlebt. Im Gegensatz zu Aigilaos verstanden die Elfen einfach nichts vom Feiern und Saufen. Mandred fragte sich, wozu sie überhaupt feierten.
Um sich zu vergewissern, ob es stabil war, rüttelte der Jarl an dem Geländer der Treppe. Gute Zimmermannsarbeit! Daran konnte man sich immerhin festhalten, wenn einem der Schädel brummte.
Nuramon lief mit federnden Schritten voraus. »Komm! Das musst du dir ansehen!«
Mandred folgte dem Elfen. Sein Atem ging schwer. Verrückt, auf so einem Baum zu wohnen! Vernünftige Leute mussten nur einen Schritt tun, um über die Schwelle in ihr Heim zu gelangen. Verfluchte Kletterei!
Inzwischen waren sie so hoch, dass sie über die Baumkronen hinweg blicken konnten. Nuramon deutete auf verschneite Berggipfel am Horizont. »Das sind die Ioliden. Dort lebten einst die Kinder der Dunkelalben.«
Mandred gefiel der Klang des Namens nicht. Dunkelalben! Und deren Kinder! Das mussten die legendären Dunkelelfen sein, von denen man sich in seiner Welt schlimme Geschichten erzählte. Es hieß, sie zerrten die Menschen in Felsspalten, um dort ihr Fleisch zu fressen. Bei Nacht konnte man sie nicht sehen, weil ihre Haut so schwarz war wie die Finsternis. Mit diesen Wesen wollte Mandred nichts zu tun haben, und es wunderte ihn, dass Nuramon so seelenruhig von ihnen sprach. Der Elf war mutiger, als er zugeben mochte.
Schweigend legten sie den Rest des Weges zurück und hielten vor dem Eingang zum Haus an. Von hier aus konnte man bis zur Burg der Königin und über das umliegende Land blicken. Irgendwo jenseits der Burg musste die Shalyn Falah und dahinter das Weltentor liegen. Alles andere war Mandred fremd. Gewiss hatte kein Mensch je das ganze Land erkundet, das hier vor ihnen lag. Seitdem sie Firnstayn verlassen hatten, hatte Mandred darüber nachgedacht, was er als Gestrandeter im Elfenreich anfangen sollte. Was blieb ihm hier zu tun, was ein Elf nicht unendlich viel besser zu tun vermochte?
Er musste an Aigilaos denken. Würde er doch noch leben! Mit ihm durch die Wälder zu streifen, zu jagen und zu trinken, sich gegenseitig erfundene Heldentaten zu erzählen und feine Elfendamen bei Hof mit derben Komplimenten zu verschrecken. Das wäre ein Leben gewesen! Mandred lächelte stumm in sich hinein. Er vermisste den Kentauren. Und er wäre ihm der beste aller Gefährten gewesen! Mandred war
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