Die Elfen
Gastfreundschaft von Orgrim, dem Herzog der Nachtzinne.«
Ein glucksender Laut erklang. »Du forderst?« Der Troll beugte sich vor und nahm den Zweig. Einen Moment verharrte er und schnupperte. »Du riechst tatsächlich nach Elf, Menschlein.« Vorsichtig strichen die knotigen Hände über den Zweig. Er blickte hinaus auf die dunkle See. »Wie bist du hierher gelangt?«
Mandred blickte auf. Noch immer konnte er das Gesicht seines Gegenübers nicht deutlich erkennen. Der Jarl wünschte sich, er wüsste mehr über die Trolle. In den Geschichten, die er in seiner Kindheit über sie gehört hatte, galten sie nicht gerade als klug. Ob er eine Lüge durchschauen würde? »Weißt du, was die Albenpfade sind?«
Der Troll nickte.
»Ich bin über die Albenpfade gewandert. Ein Elf hat mir ein niederes Tor geöffnet, nicht weit von hier am Strand. So bin ich ins Herz des Trollreichs gelangt.«
Mandred war zufrieden mit seiner Lüge. Sie erklärte, warum Späher ihn nicht schon früher entdeckt hatten.
»So«, war alles, was der Troll dazu sagte. Unvermittelt drehte er sich um. »Folge mir!«
Der Troll brachte Mandred zu einem felsumsäumten Hafen am Fuß der Nachtzinne. Dort lagen riesige dunkle Schiffe vertäut. Sie sahen aus wie Festungen, die man das Schwimmen gelehrt hatte. Von der Hafenmole führte ein Weg die Klippe hinauf. Er mündete in einem weiten Tunnel, den Barinsteine spärlich beleuchteten.
Immer wieder passierten sie Wächter - finstere Gestalten, die sich auf schwere Knüppel und manngroße Steinäxte stützten. Keiner richtete eine Frage an sie. Mandred hatte das Gefühl, dass sein Führer großes Ansehen genoss. Jetzt im Licht der Barinsteine konnte er ihn besser erkennen. Seine Haut war von einem dunklen Grau mit hellen Einsprengseln, was sie ein wenig wie Granit aussehen ließ. Der Troll hatte eine fliehende Stirn, und sein Unterkiefer war vorgeschoben. Merkwürdig waren seine Augen. Sie glühten bernsteinfarben, so wie bei Xern, dem ersten Albenkind, dem er begegnet war. Die Arme des Trolls passten nicht zu den Maßen des Körpers, sie erschienen Mandred zu lang. Knotige Muskelstränge legten Zeugnis von ihrer Stärke ab. Im Kampf musste ein Troll ein schrecklicher Gegner sein.
Endlich erreichten die beiden eine weite Halle. Hier waren wohl an die hundert Trolle versammelt. Manche tranken oder spielten mit Knochenwürfeln, andere hatten sich an Feuerstellen ausgestreckt und schliefen. Es stank bestialisch nach altem Fett, säuerlichem Erbrochenen und vergossenem Bier. Der Ort war mehr eine Höhle denn eine Festhalle, dachte Mandred. Entlang der Wände standen grob gezimmerte Tische und Bänke, doch die meisten Trolle schienen lieber auf dem Boden zu hocken. Sie alle waren erschreckend groß. Sein Führer vom Strand war keinesfalls ein Hüne unter seinesgleichen. Mandred schätzte, dass die Größten hier im Saal fast vier Schritt vom Scheitel bis zur Sohle maßen. Erst auf den zweiten Blick bemerkte er, dass keiner von ihnen Haare hatte. Viele schmückten ihre grobschlächtigen Gesichter und kahlen Schädel mit verschlungenen Mustern aus Ziernarben.
Unruhe erhob sich, als die Hünen Mandred gewahrten. Bellende Rufe erklangen. Sein Wächter hielt den Zweig hoch und brüllte auf; seine Stimme übertönte alle anderen. Daraufhin wurde es ein wenig ruhiger. Doch in den bernsteinfarbenen Augen der Trolle las Mandred unverhohlenen Hass.
In der Ferne erklang der Ruf eines Horns. Der Jarl musste an Farodin denken. Hatten die Trolle ihn am Ende aufgespürt?
Breitbeinig ließ sich sein Führer auf einer der Bänke nieder und grinste ihn frech an. »Sag, was du uns zu sagen hast, Menschlein.«
»Verzeih, aber ich werde nur mit Herzog Orgrim sprechen«, beharrte der Jarl und sah sich um in der Hoffnung, vielleicht irgendwo einen Troll mit goldenen Armreifen und schweren Silberketten zu sehen. Daran erkannten die Sagenhelden stets die Fürsten des großen Volkes. Doch hier trug keiner solchen Schmuck.
Sein Führer rief etwas in den Saal. Darauf erhob sich ringsherum lautes Grunzen. Mandred brauchte einige Augenblicke, bis er begriff, dass dies Gelächter sein musste.
»Was ist so komisch?«, fragte er kühl.
Sein Führer zupfte an seiner Unterlippe und sah ihn eindringlich an. »Du weißt es wirklich nicht, nicht wahr?«, fragte er schließlich mit seinem schweren Akzent.
»Was?«
»Ich bin Orgrim, der Herzog der Nachtzinne.«
Mandred sah sein Gegenüber skeptisch an. Trieb der Kerl Scherze mit ihm? Er
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