Die Elfen
kommst spät«, brummte Mandred und spuckte Blut. »Tut verdammt gut, dich zu sehen.« Er streckte die Hand aus. »Komm, hilf mir auf die Beine. Ich fühl mich, als wäre eine Herde wilder Pferde über mich hin weggetrampelt.«
Farodin lächelte. »Ich finde, diesmal übertreibst du es mit deiner Mühe, einen guten Platz an einer Festtafel zu bekommen.«
Mandred seufzte. »Bei deinem Humor musst du mit Luth verwandt sein. An Tagen wie diesem frage ich mich immer, ob der Schicksalsgott mich hasst oder ob dies seine ganz besondere Art ist, seinen Lieblingen Zuneigung zu zeigen.«
»Leben noch andere von den Gefangenen?«
Der Mensch deutete auf eine Tür, die halb hinter Mehlsäcken verborgen war. »Dort.« Mandred zog sich am Ofen hoch. »Kann ich zuerst hineingehen? Ich habe noch was zu erledigen.«
Farodin stützte ihn, denn Mandred hatte nicht die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Seine Hose war blutverklebt.
Humpelnd schaffte er es zur Tür und riss sie auf. »Ihr seid frei, sagt euch euer Lügner! Und wer mir nicht glaubt, der soll in seinem Käfig verrotten.«
Mandred hatte auf Dailisch gesprochen und mit so schwerem Akzent, dass man ihn kaum verstand. Verblüfft blickte Farodin seinen Kameraden an.
»Das musste sein.« Der Jarl lächelte zufrieden. »Die da drinnen wissen, wie das gemeint ist.« Er deutete zu einigen langen Stangen mit bedrohlich aussehenden Haken. »Damit kannst du die Käfige herunterholen.« Mandred löste sich von Farodin und knickte fast sofort ein. Fluchend sank er gegen die Mehlsäcke und umklammerte sein linkes Bein. Eine blutige Knochenspitze ragte durch Mandreds zerrissene Hose.
»Verdammter Bastard von einem Troll«, fluchte der Jarl. Blanker Schweiß stand ihm auf dem Gesicht.
Farodin sah sich die Wunde an. Schienbein und Wadenbein waren gebrochen und durch das Muskelfleisch gestoßen. Sein Freund musste grässliche Schmerzen leiden. Dafür hielt er sich erstaunlich gut. Aber er würde keinen Schritt ohne fremde Hilfe gehen können, und die Flucht durch die Geheimgänge würde eine mörderische Tortur für ihn werden.
»Ich mache mir Schienen aus den Holzstangen«, sagte Mandred gepresst. »Dann wird es schon gehen.«
»Natürlich.« Farodin nickte. Dann nahm er einen der Haken und trat in die dunkle Kammer. Der Fäulnisgestank hier raubte ihm schier den Atem. Es dauerte einige Herzschläge, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die Kammer war größer, als er erwartet hatte. Sie maß mindestens zwanzig Schritt im Durchmesser. Tropfenförmige Käfige hingen von der Decke. Es mussten hundert oder mehr sein. Die meisten waren leer.
Sieben Elfen konnte Farodin befreien. Sie waren die letzten Überlebenden. Die lange Gefangenschaft hatte sie gezeichnet. Ihre Haut, die seit zwei Jahrhunderten kein Tageslicht mehr gesehen hatte, war weiß wie Schnee geworden. Ihre Augen waren rot entzündet und konnten kein Licht vertragen. Am schlimmsten jedoch hatten ihnen die zu engen Käfige zugesetzt. Ihre Knochen waren verkrümmt, und es bereitete Ihnen Schmerzen, sich aufrecht zu halten. Sie zeigten keine Freude, als Farodin sie befreite. Schweigend kauerten sie am Boden. Ein Mann mit langem weißem Haar war ihr Wortführer. Elodrin. Er war einmal einer der Seefürsten im fernen Alvemer gewesen. Farodin konnte sich erinnern, ihn manchmal an Emerelles Hof gesehen zu haben.
»Nicht die Königin hat dich geschickt, nicht wahr«, sagte der Alte mit müder Stimme. »Ich kenne die Geschichten über dich, Farodin. Du bist hier, um deine eigene Fehde zu führen.«
»Das wird mich nicht davon abhalten, dich nach Hause zu bringen.«
Elodrin schnaubte verächtlich. »Sieh uns an! Sieh, was sie aus uns gemacht haben!« Er deutete auf eine Elfe, die leise schluchzend am Boden kauerte. »Nardinel war einmal so schön, dass man keine Worte dafür finden konnte. Nun ist sie ein krummes Weib mit gequälter Seele und kann den Anblick der Sonne nicht mehr ertragen. Wir alle haben uns den Tod lange herbeigesehnt. Er hat keinen Schrecken für uns. Im Gegenteil, der Tod bedeutet die Freiheit, wiedergeboren zu werden.«
»Ist es dir wirklich egal, ob du als Fleisch auf der Tafel des Trollherzogs endest? Hast du dich schon so sehr aufgegeben?«, erwiderte Farodin scharf.
Elodrin sah ihn lange schweigend an. Dann nickte er kaum merklich. »Verzeih mir, wenn ich dir nicht danken kann. Versuch uns zu verstehen. Du hast tatsächlich nur unser Fleisch gerettet. Unser Leben hat uns Orgrim
Weitere Kostenlose Bücher