Die Elfen
seinem Schwert gegriffen. Der Albenstern war von seltsamen Gestalten umringt: zwei Hüter des Wissens in roten Kutten, die gezogene Schwerter hielten, einige Gnome mit Armbrüsten und ein weißer Kentaur, in dem Farodin Chiron wiedererkannte. Auch der steinerne Gallabaal war unter den seltsamen Wächtern.
Nuramon und Mandred kamen mit ihren Pferden durch das Tor.
Knirschend trat der Gallabaal einen Schritt auf den Menschensohn zu. Einer der Gnome zielte mit seiner Armbrust auf Mandreds breite Brust.
»Liuvar! Frieden!«, rief der Kentaur. »Ich kenne die drei. Der Mensch ist ein aufgeblasener Nichtsnutz, aber sie sind keine Feinde.«
»Was ist hier los?«, wollte Nuramon wissen.
»Das könnt ihr vermutlich besser beantworten«, entgegnete Chiron herablassend. »Was geht in der Menschenwelt vor sich?«
Farodin berichtete kurz von dem Treffen mit dem Plünderer und der brennenden Stadt. Als er endete, sahen sich die Wächter verwirrt an.
Chiron räusperte sich leise. »Ihr müsst einen Zeitsprung gemacht haben, als ihr durch das Tor gekommen seid. Iskendria ist seit mehr als hundert Jahren nur noch ein Ruinenfeld.« Er hielt inne, um den dreien Gelegenheit zu geben, das Gehörte aufzunehmen. Schließlich fuhr er mit seinen Erklärungen fort. »Die Tjuredmönche haben es immer noch nicht aufgegeben, die Barriere zur Bibliothek durchbrechen zu wollen. Sie halten den Albenstern besetzt und haben dort sogar einen ihrer Turmtempel errichtet. So verhindern sie, dass Albenkinder auf diesem Wege zu uns gelangen. Ihr seid seit Jahren die ersten Gäste hier unten.« Er verneigte sich förmlich. »Ich heiße euch im Namen der Hüter des Wissens willkommen.«
»Stellen sie denn wirklich eine Gefahr dar?«, fragte Nuramon.
Chirons Schweif zuckte unruhig. »Ja, das tun sie. Blinder Hass auf alle Albenkinder treibt sie an. Die Frage ist nicht, ob sie hierher in unser Refugium in der Zerbrochenen Welt kommen, sondern wann sie kommen. Bei uns macht sich keiner etwas vor, was die Gefahr angeht. All unsere Gäste und die meisten Hilfskräfte haben uns verlassen.« Er sprach voller Verbitterung. Dann breitete er in pathetischer Geste die Arme aus. »Die sterbende Bibliothek steht euch zur Verfügung. Sogar dir, Menschensohn. Seid uns willkommen!«
LEERE HALLEN
Nuramon kam in die Halle, in welcher der Gnom Builax ihn nach seinem Zeitempfinden vor über fünfzig Jahren empfangen hatte. Doch sie hatten beim Eintreten in die Bibliothek durch seine mangelnde Kenntnis mindestens hundert Jahre übersprungen, wahrscheinlich noch mehr, und so lag die Begegnung mit dem Gnom noch weiter zurück. Dennoch schien die Halle unverändert. All die Regale und die Bücher waren noch da, die Barinsteine verströmten ihr sanftes Licht. Nur Builax war nirgends zu sehen. In der Nische zwischen den Regalwänden, in welcher der Gnom einst sein Schwert verwahrt hatte, fand Nuramon Bücher, Schreibzeug und sogar ein kleines Messer. Doch der Staub darauf zeigte ihm, dass hier lange niemand gewesen war.
Ein umgekipptes Tintenfass fiel Nuramon besonders ins Auge. Die Tinte hatte sich über den Tisch verteilt und war längst eingetrocknet. Hier wirkte alles so, als hätte Builax nur das Nötigste genommen und den Rest einfach stehen und liegen lassen. Vielleicht hatte der Gnom fliehen müssen?
Nuramon ging zum dreiundzwanzigsten Regal und kletterte die Leiter hinauf. Als er das gesuchte Regal erreichte, kehrte das Gefühl zurück, das ihn ergriffen hatte, als er das erste Mal hier gewesen war. Er war auf den Spuren Yulivees gewandelt, als wäre sie eine Vertraute, wie Noroelle eine Vertraute für Obilee war.
Er nahm sich ihr Buch und machte sich wieder an den Abstieg. Während er Sprosse um Sprosse hinabkletterte, dachte er über die jüngsten Entwicklungen nach. Der Angriff auf den Albenstern beunruhigte ihn. Konnten die Tjuredpriester gar bis in die Bibliothek vordringen? Bisher offenbar nicht, doch ihre Attacken gegen die Albensterne richteten auch hier in der Zerbrochenen Welt Schaden an.
Noch einmal ließ Nuramon den Blick durch die Halle schweifen. Es war bedauerlich, dass weder Builax noch Reilif hier waren. Wer würde den Wissbegierigen nun den Weg weisen? Vielleicht war Reilif irgendwo anders in der Bibliothek zu finden. Wenn es niemanden mehr gab, der über die Bücher und ihre Inhalte Auskunft geben konnte, dann war die riesige Bibliothek für Besucher nahezu nutzlos.
Nuramon verließ die Halle und überlegte, wo er die Suche nach Wissen
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