Die Elfen
begegnete ihnen wie gewohnt kühl und distanziert. Nomja strich Nuramon über die Wangen und flüsterte: »Es ist mir fast so, als kennten wir uns schon ewig.« Er musste an die Zwerge und ihren Erinnerungskult denken. Vielleicht hätte er Nomja davon erzählen sollen. Doch nun war es zu spät dazu. Obilee küsste ihn wie die Königin zuvor auf die Stirn. Sie sagte kein Wort, doch in ihrem Gesicht spiegelten sich Trauer und Schmerz. Sie würde um ihn bangen, das war gewiss. Doch sie würde der Königin eine wertvolle Vertraute sein. Und wenn er und seine Kameraden versagten, dann würde sie an der Seite Emerelles vielleicht das vollbringen, was ihnen verwehrt geblieben war.
Zuletzt nahm Nuramon Yulivee auf den Arm. »Tu, was die Königin gesagt hat. Denk an Noroelle, wenn du dem Devanthar gegenüber stehst!«, sagte sie. Er stellte sie wieder auf den Boden und betrachtete sie lange. »Geh, mein Bruder!«, forderte sie ihn auf und wirkte dabei so ernst, wie er sie noch nie erlebt hatte. Wusste sie irgendetwas? Hatte die Königin sich ihr anvertraut? Oder hatte die kleine Zauberin es gar gewagt, auf eigene Faust in den Wasserspiegel der Königin zu schauen?
»Haltet euch bereit!«, sprach Emerelle.
Die zwölf Freiwilligen gesellten sich nun zu Nuramon und seinen Gefährten. Sie waren mit Hellebarden und Schwertern bewaffnet und für Elfenkrieger unge-wöhnlich schwer gepanzert. Jeder von ihnen trug eine mit Gold verzierte Sturmhaube und einen massiven Brustharnisch. Es gab keinen Zweifel: Kaum jemand würde sie besser schützen können als die Leibwachen der Königin. Nur eine große Übermacht von Ordensrittern wäre in der Lage, diese Krieger zu überwältigen.
Emerelle holte den Albenstein aus einem schlichten Lederbeutel an ihrem Gürtel hervor. Farodins Augen glänzten, als er ihn sah. Und auch Nuramon war von dem Anblick aufs Neue tief berührt.
Die Königin schloss die Augen und sprach unhörbare Worte. Nuramon spürte, wie kraftvolle Magie ihn umgab. Albenpfade lösten sich aus der Luft. Sie waren einfach da und ließen den Zauber der Königin wie eine Fingerübung erscheinen. Große Magie sah meist einfach aus. So hatte es ihn seine Mutter gelehrt.
Neben Emerelle kreuzten sich nun fünf Pfade, und unvermittelt schoss ein gleißendes Licht aus dem Albenstern empor. Es war die Pforte, durch die sie gehen würden.
»Wachen, sichert den Albenpfad!«, rief die Königin. »Rasch! Jeder Augenblick zählt!«
Die Freiwilligen schritten vor und verschwanden im Licht.
Nuramon tauschte kurze Blicke mit Mandred, Farodin und Liodred. In ihren Mienen las er Entschlossenheit. Seine Gefährten waren bereit, das letzte große Wagnis einzugehen. Und er war es auch. Denn wenn sie den Devanthar besiegten, dann mochte alles gewonnen sein.
»Geht nun!«, sprach die Königin.
Nuramon schritt an der Seite seiner Gefährten ins Licht. Er schaute noch einmal zurück und sah, wie Yulivee, Obilee und Nomja langsam verblassten. Die Königin aber wandte sich um und sprach mit leiser werdender Stimme: »Wir stehen am Rande eines neuen Zeitalters.«
TROPHÄEN
»Besetzt alle Ausgänge!«, befahl Farodin den Wachen.
Sie befanden sich in einer hohen Kammer aus grauem Stein, die spärlich von Kerzenschein erhellt wurde. Über ihnen spannte sich ein kunstvolles Kreuzgewölbe. Ein leichter Duft nach Weihrauch hing in der Luft. Irgendwo in der Ferne erklang feierlicher Gesang. Sie standen inmitten eines goldenen Sterns, der von vier Silberplatten umgeben war.
Mandred sah besorgt zu Liodred. Der König war leichenblass. Die wenigen Schritte, die sie über den Albenpfad durch die Leere gegangen waren, hatten ihn offenbar zutiefst entsetzt. Mandred versetzte ihm einen freundschaftlichen Stoß mit dem Ellenbogen. »Alles in Ordnung?«
Liodred schluckte und bemühte sich um Fassung. »Natürlich!«
Er war ein schlechter Lügner, dachte Mandred. Und ein tapferer Mann! Noch am Abend hatte er versucht, Liodred auszureden, ihnen in den Kampf gegen den Devanthar zu folgen. Doch der König hatte davon nichts hören wollen.
»Willst du den Befehl über die Wachen übernehmen?«, fragte Mandred nun leise. »Mir wäre wohl,
wenn ich wüsste, dass du unseren Rückzug sicherst.«
Der König lächelte gequält. »Ahnherr, ich glaube nicht, dass die Elfen besonders erfreut darüber wären, wenn ein Mensch, der keinem von ihnen das Wasser reichen kann, ihnen Befehle gäbe. Gib es auf, mich von meinem Weg abzubringen.«
Mandred dachte an Liodreds
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