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Die Elfen

Die Elfen

Titel: Die Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen , James Sullivan
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ließ nicht so recht darauf schließen. Er war anstrengend gewesen, besonders weil sein Gedächtnis immer noch verworren war.
    Er hatte viel Verantwortung an Nomja übertragen.
    Und dabei hatte er die Bogenschützin noch nicht einmal gesehen, sondern sich nur über Boten mit ihr ausgetauscht. Sie befand sich im Heerlager an der rechten Flanke, gut fünf Wegstunden von Emerelles Burg entfernt. Sie und Wengalf hatten über die Aufstellung der Krieger gesprochen, und Nuramon hatte alles in ihre Hände gelegt.
    Statt zu befehligen, hatte er hier in der Kammer gesessen und nachgedacht. Seine Sippe hatte ihn besucht, um ihn auszustatten; auf seinen Wunsch hin hatten sie ihm eine Plattenrüstung überlassen, die der Drachenrüstung der Gaomee nachempfunden war. Bald darauf hatte er sie verabschiedet, wohl auch deshalb, weil niemand mehr da war, den er von früher kannte. Der alte Elemon war längst ins Mondlicht gegangen, und selbst die Jüngeren wie Diama waren lange fort. Unter ihren Nachkommen war Nuramon zur Legende geworden. Welch eine Enttäuschung würden sie morgen erleben, wenn der große Nuramon, der mit seinen Gefährten einen Devanthar besiegt hatte, wie ein ganz gewöhnlicher Elf in die Schlacht reiten und nichts ihn über andere erheben würde!
    Er musste lachen. Damals, als er zum ersten Mal in dieser Kammer gewesen war, hatte ihn die Abneigung seiner Sippe gequält. Und nun war es ihm unangenehm, dass sie ihm mit Ehrfurcht und Anerkennung begegneten? Das konnte doch nicht wahr sein! Seine Erinnerung sagte ihm, dass ihm Anerkennung keineswegs fremd war. Er hatte sie schon früher erfahren, besonders bei den Zwergen. Aber das war in einem anderen Leben gewesen .
    Ganz allmählich ordneten sich seine Erinnerungen; nicht mehr lange, und er würde die Steinchen des Mosaiks zusammensetzen können. Im Augenblick gab es einfach zu viel, das es zu verstehen galt. So entsann er sich daran, einst eine Elfe namens Ulema geliebt zu haben. Aus dieser Liebe war ein Kind hervorgegangen, das sie Weldaron genannt hatten. Dies war der Name seines Sippenbegründers. Sollte er, Nuramon, gar der Vater von Weldaron sein? Das konnte er nicht glauben.
    Auch verwirrten ihn all die Gefühle, die er einst für Emerelle gehegt hatte, die diese aber nie hatte erwidern können. Gewiss, viele Elfen sahen Emerelle und träumten insgeheim von ihrer Liebe. Es gab keine Frau, über die es mehr Liebesgedichte und Minnelieder gab, als die Elfenkönigin .
    Das Geräusch von Schritten vor der Tür rief in ihm die Erinnerung an die Nacht vor dem Auszug der Elfenjagd wach. Nuramon wandte sich um; er ahnte, wer da zu ihm kam. Und als sich die Tür öffnete und er Emerelle erblickte, wusste er, dass er sich nicht getäuscht hatte. Die Königin war zu ihm gekommen, wie in jener Nacht, in der für ihn alles begonnen hatte. Wie damals trug sie das graue Gewand einer Zauberin, und ihr dunkelblondes Haar wellte sich sanft über ihre Schultern. Er blickte in ihre hellbraunen Augen und fand auch dort den Glanz jener längst vergangenen Nacht.
    Sie schloss die Tür hinter sich und lächelte ihm entgegen, als wartete sie auf eine Regung seinerseits.
    »Emerelle«, sagte er und blickte sie lange an. »Es ist kein Zufall, dass du zu mir kommst, oder?«
    »Nein. Nichts, was wir sagen oder tun, ist Zufall. Hier schließt sich der Kreis, Nuramon, Vater des Weldaron und Sohn der Valimee und des Deramon.«
    Als die Königin die Namen seiner ersten Eltern nannte, kehrte die Erinnerung an sie zurück. Sein Vater war ein Krieger gewesen, seine Mutter eine Zauberin. Sie waren früh ins Mondlicht gegangen, doch sie hatten ihn geliebt, wie nur die ersten Albenkinder ihre Söhne und Töchter geliebt hatten. »So alt bin ich?«, fragte er.
    Die Königin nickte. »Ich wusste seit langem, dass dir eines Tages ein bedeutendes Schicksal zukommen würde. Du warst damals einer meiner Kampfgefährten. Wir haben uns in Ischemon kennen gelernt, im Kampf gegen die Sonnendrachen. Damals gab es noch keine Königin. Ich war noch auf der Suche nach meiner Bestimmung, und wir gingen gemeinsam zum Orakel Telmareen. Was sie sagte, das weißt du.«
    Nuramon erinnerte sich an alles, wovon die Königin sprach. Ihre Worte waren wie Zauberformeln, die ihm Vers um Vers das Gedächtnis ordneten und all die Empfindungen von einst zurückbrachten. Selbst die Lichtgestalt des Orakels hatte er plötzlich wieder vor Augen, und ihre Stimme hallte nach so langer Zeit noch in seinen Ohren: Wähle dir deine

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