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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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identifizieren. Ein tragischer Unfall bei den Ausschreitungen. Ihr Verschwinden bliebe ein Rätsel, ein ungeklärter Fall – ähnlich rätselhaft wie der Tod von Amandine und ihrer Tochter. Ihre drei Schicksale wären in unheilvoller Weise miteinander verflochten.
    Erbarmen.
    Feuer auf allen Seiten. Das Wageninnere war nur noch eine Strahlenblase. Von einer Art animalischem Selbsterhaltungsinstinkt getrieben, versuchte sie, die Fesseln an ihren Fußknöcheln zu durchreißen. Das heisere Pfeifen ausgehend von ihren Rippen alarmierte sie. Mit jedem Atemzug inhalierte sie heiße, mehlige Asche. Die Agonie setzte ein. Nur noch wenige Minuten bis zum letzten Atemzug. Eine Litanei entrang sich ihren Lippen.
    Erbarmen. Erbarmen. Erbarmen.
    Die Hitze des Infernos war ihre Hölle.
    Ein letztes Aufbäumen. Sie zerrte und kratzte an der Schnur und wetzte den Kunststoff durch. Mit einem kurzen Ruck gelang es ihr in letzter Minute, die Fessel zu zerreißen.
    Sie warf sich gegen die Wagentür und versuchte, sie zu öffnen. Der Schmerz in ihren Armen betäubte sie. Sie schlug gegen die Scheibe, immer wieder. Endlich entstanden Risse. Bevor sie implodierte.
    Die Flammen griffen auf den Fahrraum über.

76
Paris,
Sondereinheit/OCLCTIC
    »Polizei! Machen Sie Platz! Kommen Sie alle heraus!«
    Der Inhaber des Cybercafés versuchte dazwischenzutreten, doch Zoé packte ihn am Kragen und warf ihn hinaus. Léo drängte die Leute vor dem Schaufenster zurück. Er schlug die Tür zu, versperrte sie und entnahm Amandines verkohltes Handy dem Pullover, in den er es eingewickelt hatte.
    Er ging hinter die Theke, riss das Schild »PRIVAT« herunter und betrat die Abstellkammer. Ein angrenzender Raum führte zu einer winzigen Dusche und einem Stehklosett.
    War Clara noch am Leben?
    Der Brandherd lag in dem Gebäude, in dem sich ihre Wohnung befand. Das konnte kein Zufall sein. Welcher Sache war er auf der Spur, dass man ihn beseitigen wollte?
    Er stellte den Verschlag auf den Kopf und brachte Werkzeuge, Bauteile und Kabel ans Licht. Zoé tippte auf der Tastatur und nahm die letzten Einstellungen vor.
    »Wir sind mit einem gesicherten Netzwerk verbunden. Ich werde den Inhalt der Festplatte überspielen.«
    Léopold schraubte den Deckel des Laptops ab und nahm die Tastatur heraus. Mit fachmännischer Hand entfernte er die im Inneren des Computers festgelöteten Bauteile.
    Als würde er einen Organempfänger auf die Transplantation vorbereiten, baute er die Festplatte aus und schloss das Stromkabel an.
    Auf ein kurzes Knistern folgte ein gleichmäßiger Ton. Léo prüfte den Plattenantrieb und den Lesekopf, der die Platte abtastete. Er verband die Ausgänge der Schnittstelle mit der Zentraleinheit seines Rechners, bevor er im abgesicherten Modus neu startete.
    »Und das soll funktionieren...?«
    »Diese Festplatte ist durch Duplexing abgesichert. Die Rillen scheinen nicht beschädigt zu sein. Es gibt keinen Grund, dass es nicht funktionieren sollte.«
    Reihen mit Zahlen und Codes liefen über den schwarzen Bildschirm. Die Temperatur des Computers stieg allmählich an. Der Ventilator drehte sich immer schneller. Die externe Festplatte sandte ein dumpfes Pfeifen aus.
    Léo umging das Erkennungsprotokoll und aktivierte die Anwendung, die ihm Zugriff auf die Festplatte von Amandine gewährte. Der Rechner bootete und öffnete ein Fenster, in dem Léo die Steuerungsparameter modifizierte. Die Begrüßungsseite blitzte auf. Alles, was auf Amandines Rechner gespeichert war, wurde jetzt auf seinem dargestellt. Er öffnete den Arbeitsplatz und dann die Seite »Dokumente und Einstellungen«. Etwa dreißig Dokumente wurden scheinbar ungeordnet angezeigt.
    »Ich durchsuche das Internet-Archiv, du nimmst die Dokumente unter die Lupe.«
    Zoé begann, alles, was Amandine auf ihrem Computer gespeichert hatte, systematisch zu durchforsten. Léo lief ein Schauder über den Rücken, langsam und Wirbel für Wirbel. Er spannte seine Glieder an und schüttelte dann seine Beine aus, um die Durchblutung anzuregen. Er öffnete den Ordner mit den Parametern des Anwenders, die Software-Archivierung, worauf der Zugangscode abgefragt wurde. Es war ein Kinderspiel, die Festplatte zu knacken, während es eine intellektuelle Herausforderung darstellte, den Sicherheitsschutz des Betriebssystems zu überwinden. Wäre er jünger gewesen, hätte er die elektronischen Schlösser bereits mit Methoden der Kryptoanalyse umgangen. Er konzentrierte sich, um sich an das Protokoll zu erinnern,

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