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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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ihr wurdet ins Departement Creuse gerufen?«
    Der junge Mann im schmucken Anzug, weißem Hemd und Krawatte, Bürstenfrisur, der so aussah, als hätte er die Elite-Militärakademie Saint-Cyr überlebt, trug den Spitznamen »Fallbeil«. Obwohl er erst seit drei Jahren im Dienst war, war er schon weithin gefürchtet als jemand, der viele Karrieren zerstört hatte. Er hatte sich für das Dezernat für Amtsdelikte entschieden, da er glaubte, dies wäre der schnellste Weg nach oben.
    »Wir haben Nachforschungen über eine Reihe von Fotos angestellt, die übers Internet verbreitet wurden. Die Leiche eines Kindes, auf das die Personenbeschreibung passte, wurde in einem Feld, unterhalb der Festung von Crozant, gefunden. Die Kriminalpolizeidirektion Limoges, die Gendarmerie und der Kommissar von Guéret haben uns davon unterrichtet.«
    »Handelte es sich bei der Leiche um das Kind auf den Fotos?«
    Alain Broissard schüttelte den Kopf. Der junge Lieutenant fegte mit der Hand Blätter, Aufzeichnungen und Zeitungen vom Tisch und legte die Fotos des kleinen Jungen vor den Capitaine. In einem brachliegenden Maisfeld lag die nackte Kinderleiche mit verrenkten Gliedmaßen. Der Kopf war halb im Schlamm begraben. Die Fingerspitzen waren verbrannt, und die Nägel waren herausgerissen und nur noch über dünne Sehnen mit den Fingern verbunden. Broissard wandte den Blick ab. Ihm brummte der Schädel.
    »Was hat der Rechtsmediziner festgestellt?«
    »Tod durch Ersticken.«
    »Wurde er in dem Feld umgebracht, wo ihn die Polizei von Guéret gefunden hat?«
    »Nein, als er dort abgelegt wurde, war die Leichenstarre bereits eingetreten. Der Mörder hat ihm die Schulter ausgerenkt, während er ihn hinter sich her schleifte. Der Umstand, dass Gelenkknorpel und Muskeln gerissen waren, deutet zweifelsfrei darauf hin, dass das Opfer bereits tot war, als dies geschah. Weniger als zehn Meter vom Fundort entfernt, wurden Reifenabdrücke entdeckt. Doch sie waren unbrauchbar, der Regen hatte alles ausgewaschen. Kurzum, der Junge ist zweifellos bei seinem Entführer gestorben, und dieser entsorgte anschließend die Leiche auf dem Feld.«
    »Haben Sie Ihre Ermittlungen auf der Basis dieser Hypothese geführt?«
    »Ja, wir gingen davon aus, dass der Täter in der Nähe wohnt.«
    »Wieso?«
    »Bei einem derartigen Verbrechen gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten. Ein Pädophiler verhält sich wie Sie und ich, wenn sich eine hübsche junge Frau in unserer Nähe aufhält. Entweder Sie kennen sie, weil sie zu Ihren Bekannten gehört, oder Sie treffen sie zufällig. Was machen Sie, wenn Sie eine völlig unbekannte Frau bei sich aufnehmen, und nach ein paar Nächten ist der Ofen aus? Sie setzen sie vor die Tür.«
    »Das ist wohl eine etwas allzu einfache Sicht der Dinge«, sagte das Fallbeil und zog die Augenbrauen hoch.
    »Es gibt nicht das Profil des typischen Pädophilen«, seufzte Alain Broissard. »Aber die meisten lassen sich relativ leicht einkreisen. Der unkomplizierte Zugriff verlockt sie. Oftmals sind sie überzeugt, dass das Kind einverstanden ist. Daher stammt das Opfer im Allgemeinen aus dem familiären Umfeld. Bei Vergewaltigungen ist das was anderes. Der Pädophile reproduziert ein sadomasochistisches Schema, mit dem Unterschied, dass das Kind nicht die Möglichkeit hat, Stopp zu sagen. Bei den meisten Entführungen und Videos handelt es sich um solche Fälle.«
    »Ist das auch mit Ihrem Opfer passiert?«, fragte sein Gesprächspartner, der offenkundig sehr stark an der Lektion von Broissard interessiert war.
    »Ja.«
    Der Capitaine trank einen Schluck Wasser. Er hatte das Gefühl, einen Schnellkurs in Psychologie und Ermittlungsmethoden zu geben. Einmal abgesehen davon, dass er die Prüfung ablegte.
    »Grob vereinfacht gesagt, ist der Vergewaltiger eine Art Raubtier, und das Kind ist seine Beute. Daher ist er bereit, Hunderte von Kilometern zurückzulegen, um es zu finden. Sobald er allerdings seinen Trieb befriedigt hat, wird er unvorsichtiger und geht bei der Entsorgung seines Opfers fahrlässiger vor als bei der Jagd danach. Aus diesem Grund haben wir uns bei den Ermittlungen zunächst auf zwei Departements beschränkt: Indre und Creuse, da das Dorf Crozant an der Grenze zwischen beiden liegt.«
    »Wo du schon mal Crozant erwähnst«, schaltete sich der Kommissar ein und wischte sich mit seinem Taschentuch die Stirn ab, »ich habe die Zeugenaussage eines Geschäftsmanns aus diesem Ort vor mir. Er versichert, das Opfer im Wagen

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