Die elfte Geißel
stärken. Pädophile aus aller Herren Länder versammelten sich auf dieser Website, um die Welt des Lasters in Schwung zu bringen.
Er erkundete die Thematiken auf der Suche nach Gerüchten über die Filme, die gerade in Umlauf waren. Er sah sich die letzten Aktualisierungen an. Drei Fotos von einem kleinen Rumänen. Zwei unscharfe Fotos aus einer pädiatrischen Fachzeitschrift, auf denen man den von Ekzemen bedeckten nackten Körper eines Mädchens erkennen konnte. Darunter standen belanglose Kommentare. Stutzig geworden, spürte Léo ein leichtes Kribbeln, als er einen Blog-Link erblickte, der ein sensationelles Video versprach. Er klickte darauf und entdeckte das erbärmliche Video eines nackten Sechzigjährigen, der an einem idyllischen Strand von zahllosen kleinen Asiatinnen verwöhnt wurde. Von Altersflecken überzogene Hände, wie Klauen gekrümmt, streichelten die zierlichen Schultern der Mädchen, und ein hässliches Lächeln durchschnitt sein Gesicht. Ein Urlaubsfilm. Léo kopierte den Link und schickte ihn per E-Mail an die zentrale Dienststelle.
Nichts, um sich daran festzubeißen. Er checkte nacheinander die Rubriken des Forums ab. Sie enthielten keinerlei Informationen über gefilmte Sexorgien. Er müsste welche aufstöbern. Die Befragungen potenzieller Zeugen begannen, altmodische Polizeiarbeit, aber hinter einem Rechner. Er warf den Köder aus.
Sérapion: Ich habe gehört, dass ein Film mit violetten Engeln in Umlauf ist. Hat jemand Informationen darüber?
Im pädophilen Jargon stand »Engel« für Kinder. Rosa und blau bedeuteten Junge und Mädchen. Violett: die Mischung von beidem. Er programmierte ein Alarmsignal, das ihn benachrichtigen sollte, sobald Antworten eintrafen.
Draußen stiegen von der Place Saint-Michel unterdrückte Schreie auf. Léo warf einen Blick durchs Fenster und sah Demonstranten, die sich versammelten. Die Kundgebung erreichte das Seineufer – ständig stießen neue Gruppen zu dem Zug. Léo wollte gerade das Diskussionsforum wechseln, als jemand klopfte.
Eine junge Frau trat ein, ohne dazu aufgefordert zu werden, und schreckte zusammen.
»Ich dachte, es wäre niemand da. Lieutenant Apolline, nehme ich an?«
Im Zimmer breitete sich ein Duft von Süßholz und Orangenblüte aus. Das ebenmäßige Gesicht der Frau wurde eingerahmt von einem Pony und nachlässig gebundenen langen Haaren. Er wurde unsicher, als sie seinen Blick auffing, der sie von Kopf bis Fuß musterte. Er sah sie fest an, doch ihre grün beschatteten goldbraunen Augen zwinkerten nicht. Sie war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt und wirkte sehr zerbrechlich.
»Ja, und wer sind Sie?«
»Zoé Hermon, Lieutenante der OCLCTIC. Kommissarin Dussaud schickt mich.«
Léo durchzuckte es, als er den Namen der Kommissarin hörte. Die junge Frau achtete nicht darauf und beugte sich ohne viel Federlesens über den Computer.
»Ich war am frühen Nachmittag schon mal hier, doch du warst nicht da. Ist das der Film, der auf dem Frachter gefunden wurde?«, fragte sie und nahm eine der DVDs an sich.
»Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht, was Sie hier tun. Was wollen Sie?«, sagte Leo, überrascht und auch ein wenig verärgert darüber, dass die junge Frau ihn so einfach duzte.
»Ich soll dir bei den Ermittlungen in dem neuen Fall zur Hand gehen, der Sache in Le Havre.«
»Mir helfen? Helfen wobei?«, stieß er hervor. Ihm versagte beinahe die Stimme. »Ich unterstehe nicht der Dienststelle Nanterre.«
»Ich befolge nur meine Anweisungen. Man hat mir erst heute Morgen gesagt, dass ich Ihre neue Kollegin bin.«
»Machen Sie Scherze?«
»Sehe ich so aus?«, fragte sie mit wirklich erstaunter Miene. »Bringst du mich kurz auf den aktuellen Stand?«
»Ich schulde niemandem Rechenschaft. Tut mir leid, falls es ein Missverständnis gegeben hat. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen. Es ist alles da. Damit müssten Sie zurechtkommen.«
Zoé Hermon starrte ihn fassungslos an, nahm dann wortlos den Karton mit den DVDs und den vorläufigen Berichten an sich. Sie blieb in der Tür stehen und wandte sich um, um ihm etwas zu sagen. Léo kam ihr zuvor, in einem aggressiveren Tonfall und plumper, als er es gewollt hatte.
»Worauf warten Sie?«
»Ich hätte nicht erwartet, dass das so abläuft.«
»Und wie sollte das anders ablaufen?«
»Ich hätte dich auf einen Drink eingeladen, damit wir uns kennenlernen ... als Kollegen.« Sie betonte das letzte Wort. »Und du hättest mir den Fall ausführlich geschildert.«
»Ich
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