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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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noch dazu mit einer Leiche ...«
    Er atmete den Rauch ein, bevor er fortfuhr.
    »Schon zu normalen Zeiten ist diese Gegend ein Brennpunkt erster Güte. Wir haben dort tagsüber etwa zwanzig Einsätze. Nachts und am Wochenende sind es sogar vierzig.«
    Der zweite Polizist lehnte sich gegen den Fahrersitz, um die Äußerungen seines Vorgesetzten zu bestätigen.
    »Über fünftausend Delikte pro Jahr.«
    »Aber seitdem die jüngsten Ausschreitungen begonnen haben, wissen wir nicht mehr, was wir tun sollen. Zehnjährige, die Geschäfte plündern. Überall werden Schutzgelder erpresst. Kollegen werden angegriffen. Das ist der Anfang eines Bürgerkrieges, glauben Sie mir.«
    Der Polizist schnaubte und scherte im Kreisverkehr plötzlich – hupend – seitlich aus, um die Autos zu überholen, die zur Seite fuhren, um sie vorbeizulassen. Er nahm den Gesprächsfaden wieder auf, ohne zu bemerken, dass Blandine, die Schläfe gegen die eiskalte Scheibe gelehnt, ins Leere starrte.
    »Erinnern Sie sich noch an die Krawalle vor ein paar Jahren? Danach sind die Studenten auf die Straße gegangen. Das geschah zu zwei verschiedenen Zeitpunkten. Aber jetzt gehen alle und überall auf die Straße. Man will alles kurz und klein schlagen, um wieder ganz von vorn anzufangen.«
    Die Worte der beiden Kollegen und die Szenerie, die aufgrund der Geschwindigkeit verschmiert an ihren Augen vorbeizog, wirkten auf Blandine wie ein Wiegenlied. Die extreme Anspannung an diesem Abend hatte ihre Nerven überfordert. Sie versank in ihren Gedanken.
    Ihre Ermittlungen hatten eine katastrophale Wendung genommen.
    Und es gab keinen Ausweg. Sie würde suspendiert, und Rilk – der Bär – würde sich an ihr abreagieren. Dienstvergehen, riskantes Verhalten. All dies war ohne Rückendeckung ihrer Vorgesetzten geschehen und absolut rechtswidrig – außerdem hatte sie Ausschreitungen provoziert, bei denen wahrscheinlich Polizisten verletzt worden waren.
    Doch trotz der heiklen Lage, in die sie sich gebracht hatte, und der Tatsache, dass sie ihre Karrierechancen ruiniert hatte, ging ihr die Spur, die sie entdeckt hatte, nicht mehr aus dem Sinn.

24
Paris,
Quai des Orfèvres 36,
Mordkommission
    Auf dem Stockwerk der Mordkommission eilten alle geschäftig hin und her. Bei den Kollegen, die ihr über den Weg liefen, hatte Blandine den Eindruck, sie wüssten schon Bescheid und würden sie insgeheim verurteilen. Sie blieb vor der Kaffeemaschine stehen. Polizisten, die sie kannte, beendeten ihren Nachtdienst, indem sie versuchten, aus Espresso und Bourbon einen Irish-Coffee zu zaubern.
    »Mensch, Pothin, warum schaust du so finster drein! Beschissener Tag, was?«, fragte einer der Unteroffiziere und hielt ihr einen Becher mit der Melange hin.
    »Kann man wohl sagen.«
    Sie nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
    »Hat jemand den Eiffelturm in die Luft gejagt?«
    »Krawalle in den Bahnhöfen.«
    »Das hört wohl überhaupt nicht mehr auf ...«
    »Warte, da ist jemand, der deine Stimmung heben wird. Hey, du da, Herr Prophet, beweg mal deinen Arsch hierher!«
    Ein etwa vierzigjähriger Obdachloser mit einem dichten Vollbart, kaputtem Anorak und Lumpen näherte sich den drei Polizisten.
    »Los, wiederhol das, was du uns gesagt hast.«
    Der Mann blickte verängstigt um sich, bevor er tief einatmete.
    »Komm, ich ... ich zeige dir das Strafgericht über die große Hure, die an den vielen Gewässern sitzt! Auf ihrer Stirn steht ein Name: Paris! Paris, die Große, die Mutter der Huren und aller Abscheulichkeiten der Erde!«
    Er hob die Arme zur Decke und sackte wie ein kaputter Hampelmann in sich zusammen. Die Polizisten schlugen ihm feixend auf den Rücken.
    »Ist er nicht unbezahlbar? Wir haben ihn in den Markthallen eingesammelt. Der Idiot hat sich nackt in den Brunnen gestellt, um das Wort Gottes zu verkündigen.«
    »Du musst ihn bitten, dir die Zukunft vorauszusagen, das ist ...«
    »Ich habe keine Zeit. Ich bin mit dem Bär verabredet.«
    »Um diese Uhrzeit? Hört sich nicht gut an.«
    »Weiß ich selbst.«
    »Los, Herr Prophet, streng dich für die liebe Frau an, versprich ihr was Schönes.«
    Man brauchte kein Prophet zu sein, um ihr eine schwarze Zukunft zu weissagen, dachte sie. Sie stürzte sich wieder in das Getümmel, unter einer Flut halluzinierter Voraussagen.
    Sie hatte kaum eine Handvoll Stunden gehabt, um sich eine überzeugende Rede zurechtzulegen. Aber jetzt, wo es drauf ankam, gelang es ihr nicht mehr, sich selbst zu überzeugen. Allzu

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