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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Gendarmen ein wachsames Auge auf die Wohnungstüren, hinter denen die Spannungen hörbar wuchsen. Das Knistern der Walkie-Talkies begleitete Blandine, als sie die Treppe hinabstieg, begleitet von zwei Zivilfahndern, die sie jeweils an einem Arm hielten. Der ältere der beiden war wütend und machte seinem Ärger Luft:
    »Was ist nur in Sie gefahren, allein hierherzukommen? Wie kann man nur so leichtsinnig sein. Sie reiten nicht nur sich selbst, sondern uns alle in die Scheiße. Meinen Sie, die da draußen machen Spaß? Schauen Sie!«
    Sie blieben hinter der schmutzigen Glastür am Eingang stehen. In der Dunkelheit drehten sich die Blaulichter von sechs Fahrzeugen und malten die Szenerie in Rot und Blau. Zwei Kastenwagen der Bereitschaftspolizei bildeten eine Sperre auf der Esplanade. Davor tummelten sich etwa fünfzig Jugendliche unterschiedlichsten Alters. Die jüngsten in vorderster Reihe. Steine wurden geworfen. Wüste Beschimpfungen hinterhergeschleudert.
    »Wir ficken euch!«
    Mülleimer wurden von oben auf die Autos geworfen und zerplatzten beim Auftreffen auf der Karosserie; Abfall spritzte auf die Windschutzscheiben. Flaschen regneten auf die Polizisten herab, und Glasscherben flogen in alle Richtungen.
    »Wir ficken euch, ihr Bande von Hurensöhnen!«
    Verängstigte Polizisten blieben in ihren Fahrzeugen, die Sirenen in voller Lautstärke, mit geladenen Waffen, befürchtend, dass die Sache aus dem Ruder lief. Der Zivilfahnder beobachtete das Verhalten der Meute, um einen günstigen Moment abzupassen und Blandine in Sicherheit zu bringen. Die Gendarmen, die die Leiche auf der Trage herunterbrachten, stießen am Eingang des Gebäudes mit dem Rechtsmediziner und den Leuten von der Spurensicherung zu ihnen. Niemand sprach. Der Brigadier zählte bis drei und stieß dann die Türen auf, während er schrie:
    »Los jetzt! Schnell! Na los!«
    Blandine stürzte sich ins Gewühl und lief geduckt durch das Gewitter von Schreien und Beschimpfungen zu einem Einsatzwagen.
    »Dreckige Hure, wir ficken dich!«
    Flaschen zersprangen wie Bomben. Steine streiften Blandine an den Schenkeln. Einer der Erkennungsdienstler, im Gesicht getroffen, fiel in Glasscherben und zerschnitt sich die Hände, als er versuchte aufzustehen. Zwei Gendarmen packten ihn an den Armen und zogen ihn auf den Gehsteig. Blandine legte die noch verbleibenden wenigen Meter zum ersten Polizeiauto zurück, die Flaschenscherben knirschten unter ihren Füßen, und sie ging hinter der Wagentür in Deckung. Das Herz pochte wild in ihrer Brust. Die Zivilfahnder stießen hinter einem Fahrzeug zu ihr. Der Brigadier sah, dass sie ihre Waffe gezogen hatte, packte ihre Hand und verdrehte ihr den Arm, damit sie die Waffe losließ.
    »Bist du verrückt! Jetzt reicht’s!«
    Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen. Der Polizist schubste sie mit brutaler Gewalt.
    »Los, verdammt noch mal! Beweg dich! Die lynchen uns hier!«
    Blandine spürte, dass sie kurz vorm Zusammenbruch war, aber sie schaffte es bis zu dem Polizeiauto in Zivil und schlüpfte auf den Beifahrersitz. Der Brigadier und sein Kollege stürzten ihrerseits ins Wageninnere und düsten mit quietschenden Reifen los. Blandine sah, wie die Jugendlichen mit Ochsenziemern über die Bereitschaftspolizisten herfielen, die sich mit Schlagstöcken zur Wehr setzten.
    »Duck dich! Sie könnten uns mit Steinen bewerfen!«
    Sie zog den Kopf ein, um nicht als Zielscheibe zu dienen. Der Fahrer trat aufs Gas, und sie verließen in einem letzten Steinhagel die Cité.
    Die Siedlung verschwand wie ein Alptraum. Im Wageninneren nahm die Spannung etwas ab. Der zweite Zivilfahnder, der hinten saß, beugte sich vor und hielt ihr ihren Revolver hin. Sie steckte ihre Waffe ins Holster und atmete tief ein, um zur Ruhe zu kommen und wieder Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
    Sie erreichten Aubervilliers, und der Brigadier nahm den Fuß vom Gas. Er nahm eine Schachtel Zigaretten vom Armaturenbrett und bot Blandine als versöhnliche Geste eine an.
    »Es tut mir leid, dass ich in diesem Ton mit Ihnen gesprochen habe ...«
    »Sie hatten recht«, antwortete sie, ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
    Sie zündete sich die Zigarette an und versuchte sich zu beruhigen. Der Unteroffizier, dem die Sache sichtlich peinlich war, fuhr fort:
    »Sie müssen mich verstehen, Lieutenante ... Sie haben uns eine verdammte Angst eingejagt. Als wir den Anruf erhielten, glaubten wir an einen Scherz. Eine Polizistin allein in der Cité des 4000,

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