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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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schwindelerregenden Looping in einer rasanten Kunstflugnummer.
    Im Koma, in dem er sich in einem inneren Zustand der Levitation befand, spürte er weder die Hände, die seine Rippen brachen, um sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen, noch die Stöße der Tragbahre, auf die man ihn legte. Der Sauerstoff, den die Rettungssanitäter in seinen Brustkorb einbliesen, verstärkte die seltsame Trunkenheit, in die sich sein Geist geflüchtet hatte.
    Die Sterne in seinem Kopf erloschen nacheinander und wichen einem polaren Blau, einem endlosen Packeisfeld, aus der Luft aufgenommen.

37
Paris,
Räumlichkeiten der Kriminaltechnik,
Mordkommission
    In den Labors der Kriminaltechnik herrschte eine feuchte Hitze. In der Mitte des Raumes für vergleichende Analysen stand ein runder Tisch, auf dem zahlreiche Beweisstücke lagen.
    Blandine beugte sich über die Beweisstücke der laufenden Ermittlung. Der in seine Einzelteile zerlegte, etikettierte und in durchsichtige Tüten eingepackte Tatort. Entnommene Proben in Gläsern. Blutverschmierter Dolch. Ein von Schmutz- und Spermaflecken übersäter Nylonslip. Fotos von einem jungen Mädchen, das zusammengekrümmt in einem Müllwagen liegt. Ein auf rationale Daten reduzierter Mord.
    Ein junger Mann in einem Kittel blieb in der Tür stehen und starrte sie mit einem fragenden Blick an.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich müsste wissen, woher ein bestimmtes Stück Papier stammt.«
    »Für welche Dienststelle?«
    »Mordkommission.«
    »Wollen Sie nach Fingerabdrücken suchen?«
    »Nein, nicht nötig. Ich will nur wissen, um welche Zeitung es sich handelt.« Vorsichtig öffnete sie die kunststoffbeschichtete Aktenmappe, die die Seite enthielt, die sie in La Courneuve gefunden hatte. Der junge Mann entnahm sie mit einer Pinzette und legte sie auf eine Glasplatte. Mit einer Pipette gab er einen Tropfen Salzlösung darauf und raute das Papier mit einem Wattestäbchen auf.
    »Es absorbiert weniger als die gängigen Papiersorten, die für Tageszeitungen verwendet werden. Seine Porosität ist ebenfalls geringer ...«
    Er hielt eine Lampe dicht an das Papier und nahm einen Belichtungsmesser heraus. Er ermittelte das Verhältnis von einfallendem und zurückgeworfenem Licht, bevor er das Papier unter das Mikroskop legte.
    »Der Grad der Lichtundurchlässigkeit liegt im mittleren Bereich. Zusammensetzung: zwei Drittel mechanischer Holzstoff, ein Drittel Chemiepulpe. Ich würde sagen, es handelt sich um eine nicht besonders hochwertige Wochenzeitschrift.«
    Er breitete die verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften aus, die Blandine mitgebracht hatte, legte die seriösen Zeitungen und die Hochglanzmagazine beiseite und verfeinerte seine Auswahl, indem er die Flächengewichte bestimmte. Er verglich sie nacheinander mit dem Stück Zeitung, das von Amandines Mutter stammte.
    »Das ist Ihre Zeitung«, sagte er und hielt ihr ein Exemplar des Privé hin.
    »Noch etwas, falls ich Ihre Zeit nicht über Gebühr beanspruche, ich kann das Datum, das hier steht, nicht lesen«, antwortete sie und deutete auf die Ziffernfolge, die durch die Druckfarbe unleserlich geworden war.
    Der Laborant befeuchtete das Blatt, zog eine Schutzbrille an und legte das Papier unter eine UV-Röhre.
    »Da haben wir’s, 23. Juni 2001. Gern geschehen, Madame.«
    Eine Serie von Vergewaltigungen
    Vier Polizisten werden beschuldigt, eine Prostituierte in Lille vergewaltigt zu haben.
    Ein Gendarm wegen drei Vergewaltigungen und sechs sexuellen Übergriffen verurteilt.
    Die Artikel auf der vierten und fünften Seite berichteten von erzwungenem Oralverkehr. Was den Gendarm aus Saint-Étienne anbelangte, so schnappte er sich hübsche Autofahrerinnen und kontrollierte weit mehr als ihre Führerscheine. Ein Leitartikel in Form eines offenen Briefes an den Innenminister beklagte den allgemeinen Sittenverfall und die Tatsache, dass anständige Menschen von Polizisten genauso viel zu befürchten hatten wie von Verbrechern.
    Blandine schlug die Zeitung zu, als sie in der Metrostation Crimée ausstieg – sie hatte keine Ahnung, ob die Artikel sich auf tatsächliche Straftaten bezogen oder reine Erfindung waren.
    Was hatte diese alleinstehende Mutter in diesem Wust düsterer Geschichten nur gefunden, dass sie dieses Blatt vor ihrem Tod verschlungen hatte?
    Vier Anrufe in Abwesenheit auf ihrem Handy. Alle kamen aus dem Büro von Kommissar Rilk. Sie rief nicht zurück, da sie keine Lust hatte, sich anschnauzen zu lassen. Sie meldete sich bei Paul und

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