Die elfte Jungfrau
genug, ihn für ein paar Tage zurückzuholen und die Angelegenheiten zu besprechen. Von der Rückkehr seines Vaters will ich ihm aber nicht schriftlich berichten.« Theodoricus legte Almut leicht die Hand auf die Schulter. »Mir will scheinen, dies sollte Eure Aufgabe sein, Frau Almut.«
»Oh …!«
»Ich werde ihn zu Euch schicken.«
»Ehrwürdiger Vater?«
»Ivo ist ein verschlossener Mann, wenn es um seine Vergangenheit geht. Was zwischen ihm und seinem Vater einst vorgefallen ist, weiß ich nicht. Auch Gauwin vom Spiegel, soweit ich mich erinnern kann, ist kein einfacher Mensch. Ihr mögt den rechten Herzenstakt haben, Ivo zu einer Begegnung zu überreden.«
Almut bedachte das und musste dem Hintersinn des Abtes Respekt zollen. Ivo hatte sich nach seinem Eintritt in den Orden nicht wieder bei seinem Vater gemeldet. Er hatte mit allem gebrochen, was sein vorheriges Leben anbetraf, so schmerzhaft das auch gewesen sein mochte. Nun wieder den Ereignissen von damals gegenüber zu stehen, das mochte mit ähnlicher Pein verbunden sein. Nein, dass sein Vater ihn zu sehen wünschte, nach all dieser Zeit, das konnte man nicht auf ein Stück Pergament schreiben und einem Boten übergeben.
»Ich werde es selbstverständlich tun, ehrwürdiger Vater.«
»Danke, meine Tochter.«
»Ich muss Euch danken, denn Ihr habt mir sehr geholfen. Und ich hoffe von Herzen, Euer Bruder Jakob möge sich frei von jedem Verdacht erweisen. Denn er scheint mir, trotz seiner Fehler, ein herzlicher Mann zu sein.«
»Ich werde mich dennoch sehr ernst an sein Gewissen wenden. Was immer davon an Eure Ohren dringen darf, werde ich Euch mitteilen.«
Almut erhob sich und wollte sich verabschieden, als ihr ein ungewöhnlicher Gedanke kam.
»Sagt, Bruder Jakob betreut doch Euer Schwesterhaus auf Rolandswerth?«
»Ja, er hilft der Äbtissin Margarete bei der Verwaltung der Pfründe. Warum?«
»Er sollte Pater Ivo bei der Verwaltung Eurer Güter helfen. Für eine Weile. Bis er über jeden Verdacht erhaben ist.«
»Oder bis der Verdacht sich bestätigt, meint Ihr. Ivo wird ein strenges Auge auf ihn haben, wenn ich ihn entsprechend unterrichte. Frau Almut, Ihr habt einen sonderbar beweglichen Geist. Möge Gott, der Herr, Euch segnen und seine schützende Hand über Euch halten!«
Zwei Tage darauf erhielt Almut von Lodewig die Nachricht, ein Bote sei zu Pater Ivo unterwegs. Er werde im Laufe der kommenden Woche zurückerwartet. In einem Schreiben hatte Abt Theodoricus ihr zudem mitgeteilt, er habe ein langes, überaus heikles Gespräch mit Bruder Jakob geführt, das seine Beunruhigung nicht gänzlich beseitigt habe. Weitere Unterredungen sollten folgen. Mit der Äbtissin Mabilia habe er ein noch viel unerquicklicheres Gespräch geführt, was hoffentlich dazu führe, dass nun die Novizinnen unter besserer Aufsicht stünden. Er legte Frau Almut aber nahe, in der nächsten Zeit nicht persönlich in dem Kloster vorzusprechen.
»Was bedeutet, Magda, dass Mutter Mabilia mir grollt.«
»Womit sie Recht hat. Aber sie ist eine dünkelhafte Person, und wenn wir die Hilfe der Benediktinerinnen benötigen, werde ich mich selbst darum bemühen.«
Des Weiteren schrieb Theodoricus, Gauwin vom Spiegel habe ihn besucht, und diese Unterhaltung zumindest sei äußerst angenehm verlaufen. An die hochverehrte Meisterin, Frau Magda von Stave, seine allerbesten Grüße. Nach Ablauf der Fastenzeit solle man doch einmal einen gegenseitigen Freundschaftsbesuch in Erwägung ziehen.
»Ha, Theo vom Horne ist auf Klüngel aus. Ist eine seiner kleinen Schwächen. Er bekämpft sie, aber ich kenne ihn schon lange. Na gut, es kann nicht schaden, ein wenig von alten Zeiten zu schwatzen. Und du hast dein Möglichstes getan, Almut, damit die Räder des Schicksals reibungslos ineinandergreifen. Würdest du dich jetzt bitte aus dieser Angelegenheit zurückziehen?«
»Ja, Meisterin.«
»Almut?«
»Solange es keine weiteren Jungfrauen mehr gibt, die sich das Genick brechen.«
»Du beredest manchmal das Böse!«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
Mit einer resignierten Geste hob die Meisterin ihre Hände.
»Die Arbeit endet nie, und die nächste Aufgabe steht vor der Tür. Buchstäblich. Pater Leonhard hat sich für Sonntag mal wieder zum Essen angekündigt. Es ist erstaunlich, welche Mengen dieser Mensch vertilgt. Er wünscht, uns auch wieder die Beichte abzunehmen. Das ist zwar löblich und führt unsere Seelen zum Heil, aber ich gestehe, seine Art, einem Sünden zu
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