Die elfte Jungfrau
unterstellen, die man nicht begangen hat, ist nicht nur dir unangenehm aufgefallen.«
»Ach nein?«
»Nein. Ich halte weder Claras Gelehrsamkeit noch Elsas Kenntnis der Kräuter, nicht Ursulas hübsche Singstimme noch Rigmundis’ wunderliche Gesichte für gotteslästerlich.«
»Nein, auch eine schwarze Katze und das Weben schöner Seidenstoffe sind keine Werke des Teufels.«
»Genauso wenig wie das vernünftige Aushandeln auskömmlicher Löhne für Totendienste, Gebete und Klagen zu Jahrzeiten und kostbarer Stickereien für Altartücher. Das halte ich nicht für unchristlich. Herr im Himmel, wir sind doch kein Bettelorden, und woher sollen wir wohl das Geld nehmen, um ihm jene reichen Mahlzeiten aufzutischen, durch die er sich dann hemmungslos durchfrisst?«
»Hoppla, da hat dich aber jemand verärgert!« Belustigt betrachtete Almut die aufgebrachte Meisterin. Die schnaufte noch einmal, fand dann aber wieder zu ihrer üblichen Würde zurück.
»Ich werde, sollte Theodoricus uns wirklich besuchen, am besten mit ihm über einen neuen Seelsorger sprechen. Es muss ja nicht gerade einer seiner Patres sein. Oder, Almut?«
»Nein, obwohl der, glaube ich, ein tiefes Verständnis für die Sünden der Welt hat. Nur mit Dummheit, Faulheit und Heuchelei kennt er kein Erbarmen.«
»Das fürchte ich auch. Nun, wir werden sehen, was sich ergibt.«
Almut hatte plötzlich ein spitzbübisches Lächeln im Gesicht, und Magda fragte irritiert: »Was erheitert dich so?«
»Eine sehr christliche und demütige Idee, Meisterin.«
»Wie löblich.«
»Ja, nicht? Ich denke, wir sollten uns übermorgen sehr streng den Fastenregeln beugen. Gertrud ist eine einfallsreiche und lobenswerte Köchin, doch ihre Hechtklößchen in knuspriger Kruste, das feinwürzige Nussbrot, die Krebse in Erbsenbrei und auch die deftigen Fischwürste in der Bohnensuppe könnten beinahe wie ein Festessen erscheinen. Wir sollten, gerade am Sonntag, kärglicher essen und uns in wahrem Fasten üben. Wässrige Brotsuppe, ein wenig sauren Wein, ungewürzten Haferbrei - ja, ich denke das sollte unsere Speise sein.«
»Du könntest dabei Gertrud zur Hand gehen, dann haben wir wenigstens die Gewissheit, dass der Haferbrei auch angebrannt ist.«
Almut und die Meisterin sahen einander verständnisinnig an.
»Ich werde Gertrud entsprechende Weisung geben.«
»Und ich werde Lena bitten, uns später ein paar von den Krautpasteten herüberzubringen.«
Als Almut etwas später in dem anhaltenden Nieselregen Stein auf Stein setzte und trotz der nasskalten Witterung recht zufrieden das Wachsen der Mauern beobachtete, kam Gertrud zu ihr hinaus, um ihr ein Brot mit Honig zu reichen.
»Teufelchen ist noch nicht zurück!«, murrte sie.
»Nein, aber heute Nacht haben ein paar Kater schöne Liebeslieder vor den Mauern gesungen. Ich denke, weit ist sie nicht von hier.«
»Unzüchtiges Geschöpf. Völlig unzuverlässig! Die Mäuse tanzen schon wieder auf den Tischen. Ich habe noch nicht einmal genug Mehl, um für Sonntag frisches Brot zu backen.«
»Dann werden wir wohl zähes, altbackenes essen müssen.«
»Und das Salz für den Brei ist auch ausgegangen.«
»Wie betrüblich, Gertrud. Ich habe leider keine Zeit, auf den Markt zu gehen und den Salzhändler aufzusuchen.«
»Es hilft mir ja auch sonst niemand. Du könntest mir wenigstens ein bisschen zur Hand gehen. Wer Mörtel rühren kann, kann auch Grütze kochen.«
»Ich kann es versuchen.«
»Und der letzte Krug Wein ist auch sauer geworden.«
»Dann können wir jetzt ja nur noch hoffen, dass der Brunnen noch Wasser hat.«
»Das schmeckt auch muffig!«
»Tröste dich, Gertrud, bei so viel Verzicht sündigen wir wenigstens nicht.«
»Das macht mich ungeheuer glücklich!«, erwiderte die Köchin mit Leichenbittermiene und ging in ihre Küche zurück, um die fetten Heringe aus dem Fass zu nehmen und sie für den Abend vorzubereiten.
Ein wenig später kündete Mettel, die an diesem Tag den Pförtnerdienst versah, den jungen Steinheuer an, der mit zwei Männern und einem Eselskarren vor der Tür stand.
»Er sagt, er hätte dir etwas abzuliefern.«
»Oh, meine Fenster. Ja, Mettel, lass sie in den Hof fahren.«
Florens begrüßte Almut mit einem schüchternen Lächeln und wies die Männer an, die kunstvoll bearbeiteten Steine abzuladen.
Er selbst zeigte ihr, wie sie zusammengehörten, sodass sich jeweils ein spitz zulaufendes Fenster ergab, das, unterteilt in zwei schmalere Spitzbogen, ein dreigeteiltes
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