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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Kleeblatt trug. Ehrfürchtig strich Almut über den glatt geschliffenen Trachyt.
    »Schön sind sie geworden, Meister Florens.«
    Der junge Mann schluckte und wurde rot. Die Meisterehre hatte er erst vor kurzer Zeit erworben, und auf den Baustellen, auf denen er mit seinem Vater zusammen arbeitete, war er immer noch der jüngste Parler.
    »Hier ist auch die Rosette. Ich habe sie im Fischblasenmuster gefertigt, etwas anders, als Ihr es gezeichnet habt. Aber es ist um so vieles gefälliger, meint Ihr nicht auch?«
    Almut betrachtete aufmerksam die Rosette, aus der von der Mitte her die Ornamente wie Flammen nach außen schlugen, und hatte plötzlich die lebhafte Vorstellung, sie mit gelben und roten Gläsern füllen zu lassen. Höchst beglückt gab sie einen kleinen Laut der Befriedigung von sich. Das würde nun dank Gauwin vom Spiegel möglich sein.
    »Ihr seid es zufrieden, Frau Almut?«
    »Außerordentlich. Ja, wirklich. Ich werde unsere Meisterin bitten, den geschäftlichen Teil mit Euch abzuwickeln. Folgt mir derweil ins Refektorium, dort ist es trocken und warm.«
    Florens schickte die Männer und den Karren zurück und folgte Almut in das Haupthaus.
    Magda war noch mit der Prüfung neuer Seidenbahnen beschäftigt und versprach, gleich danach zu ihnen zu kommen. Also setzte Almut sich zu dem Parler und fragte: »Wie geht es Eurer Mutter, Meister Florens?«
    »Sie trauert zutiefst, doch sie hat wieder Haltung gefunden. Der Vater versucht, sie, so gut es geht, zu trösten. Aber es ist schon eine große Belastung für uns alle.«
    »Hat man etwas Neues vom Turm gehört?«
    »Sie haben diesen Alfi Selmecher festgesetzt und befragen ihn gütlich. Bislang hat er zwar zugegeben, Sanna gekannt zu haben, sonst aber jede Beziehung zu ihr geleugnet. Trotzdem, Frau Almut, das ist sehr peinlich, wisst Ihr.«
    »Keine Angst, ich werde darüber schweigen. Aber ich hatte wohl mit meiner Vermutung Recht, Eure Schwester könnte vielleicht ein wenig leichtsinniger gewesen sein, als Ihr annehmen konntet.«
    »Leider ja. Rosi hat unter Tränen gestanden, sie sei ihr manches Mal entschlüpft. Mit wem sie sich dann getroffen hat, weiß sie aber nicht. Der Bruder Jakob beschwört, er habe sie nur einmal in der Apotheke gesehen. Aber wie mir berichtet wurde, hat der Abt ihn in ein strenges Verhör genommen. Mit Alfi ist sie einmal Schlittschuhlaufen gewesen, als der Rhein zugefroren war. Das hat sie uns auch nicht erzählt. Davon wusste dieser Gassenjunge zu berichten.«
    »Pitter. Ja, er sieht viel und hat scharfe Augen.«
    Florens druckste herum und knetete seine rauen, kräftigen Hände.
    »Na, was ist noch passiert?«, fragte Almut besorgt nach.
    »Es ist alles noch viel schlimmer geworden. Der Turmmeister hat den Medicus geholt. Damit er feststellt, woran sie gestorben ist. Und bei der Untersuchung... also... ja, es kam noch etwas Schreckliches zu Tage.«
    »Eine andere Todesursache?«
    »N …nein, nur, Frau Almut, sie … sie war keine Jungfrau mehr. Sie unterstellen ihr, sie hätte ein lasterhaftes Leben geführt. Und ihr Ende sei nicht so unerwartet.«
    »Grundgütige Jungfrau Maria.«
    »Aber wir können es nicht glauben. Das hätten wir doch gemerkt. Ich denke, sie ist, bevor sie umgebracht wurde, auch noch geschändet worden.«
    »Trug sie Verletzungen davon?«
    »Den Bruch des Halswirbels.«
    »Mehr nicht? Dann ist ihr wahrscheinlich keine Gewalt angetan worden. Das mag bitter genug sein, aber wenigstens dieser Demütigung ist sie entgangen.«
    »Ihr meint auch, sie habe sich einem Mann hingegeben?«
    »Trine gab an, sie sei in den letzten Tagen sehr übermütig und gut gelaunt gewesen. Vielleicht hat sie sich verliebt. Und verliebte Mädchen neigen zu Dummheiten.«
    »Aber in wen, Frau Almut? In wen?«
    Almut sprach nicht aus, was sie dachte, denn mit ziemlicher Sicherheit war es ihr Mörder.
    »Findet heraus, mit wem sie zusammen war. Und, ach, Florens, verliebte Mädchen pflegen kleine Erinnerungsstücke oder Geschenke zu sammeln. Habt Ihr die Habseligkeiten Eurer Schwester schon einmal daraufhin durchgesehen? Es könnte sich eine Botschaft, eine ungewöhnliche Gabe, einen kleinen Hinweis auf jenen Mann finden, der sie betört hat.«
    »Das sollte unsere Mutter tun, da habt Ihr Recht. Aber sie ist so von Schmerz zerrissen, sie verlässt ihr Lager kaum. Ich bin seither auch nur einmal in Sannas Kammer gewesen. Das Einzige, was ich dort fand - seht, ich habe es an mich genommen, weil es mich an sie erinnert. Es lag halb

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