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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch nicht. Nicht, dass es Euch so geht wie der Corinne Beckersche.«
    »Wer ist die Corinne Beckersche?«
    »Na, seine frühere Haushälterin.«
    »Die ihn verlassen hat? Was ist mit ihr?«
    »Die hat ihn nicht verlassen, die hat er sitzen gelassen, heißt es. Als er mit dem Erzbischof nach Bonn ging. Weil der doch was gegen Pfarrkonkubinen hat.«
    Das war eine überaus erhellende Information, die die vier Beginen mit einem gemeinsamen Murren kommentierten.
    »Und jetzt sucht er eine Neue, aha! Warum nimmt er die Corinne nicht zurück?«
    »Na, wegen dem Bastard, den er ihr angehängt hat. Pfarrbastarde findet der Erzbischof noch schändlicher.«
    Diesmal war es kein Murren mehr, sondern eher das Zischen wütender Schlangen, das am Tisch zu hören war.
    »Ein gottesfürchtiger Mann, unser Pater Leonhard!«, kommentierte Almut diese neueste Erkenntnis bissig. »Und was treibt die Corinne jetzt?«
    »Sie geht auf’m Berlich!«
    Clara legte ganz langsam den Löffel nieder und fluchte unerwartet heftig: »Hol ihn der Teufel!«
    Das war aus dem Mund der ansonsten so feinsinnigen Gelehrten eine derart ungewöhnliche Äußerung, dass Almut nur staunen konnte. Auch Rigmundis wirkte erschüttert, aber am meisten verblüffte sie die schwarze Wut in Belas Augen.
    »Pitter, ist das auch wirklich wahr?«
    »Sischer dat!«
    Der Päckelchesträger aß unbeirrt weiter. Für ihn war das nur ein ganz alltägliches Schicksal auf den Gassen. Den Beginen allerdings schien der Appetit vergangen zu sein.
    »Wir werden das prüfen!«, erklärte Almut leise und schob ihren Holznapf zur Seite. »Und jetzt brauche ich etwas anstrengende Arbeit, sonst zerbreche ich noch etwas. Bela, hilfst du mir, das Gerüst wieder aufzustellen, das der Sturm umgeworfen hat?«
    Die lodernde Wut zeichnete sich noch immer im Gesicht der anderen Begine ab, aber sie nickte zustimmend und erhob sich.
    »Ja, machen wir uns an die Arbeit.«
    Beide Frauen hatten grobe Kittel an und die Haare mit einfachen Tüchern bedeckt. Der Sturm der beiden letzten Tage hatte die Wolken vertrieben, und der Himmel erschien wie blank geputzt, als sie die schweren Balken aufrichteten und die herabgefallenen Planken aus dem Schmutz zerrten. Mit kräftigen Hammerschlägen trieb Bela einige Nägel in das Holz, und die Splitter flogen nur so. Almut ließ sie eine Weile gewähren, dann nahm sie ihr das Werkzeug resolut aus der Hand.
    »Du schlägst dir noch einen blauen Daumen, wenn du so weitermachst. Erzähl mir lieber, was dich so wütend macht.«
    »Der Priester!«, spuckte sie aus. »Dieser gottlose, heuchlerische Pater. Sie sind doch alle gleich, diese Pfaffen. Lüstern, verfressen, herzlos.«
    »Das hört sich an, als ob du einen solchen Mann schon einmal getroffen hast. Doch nicht Pater Leonhard?«
    »Nein, den nicht. Ach, lass es, Almut.«
    »Manchmal ist es besser, es auszusprechen, Bela. Ich fürchte, man hat dich einst sehr gedemütigt. So etwas nagt an der Seele.«
    »Das kannst du glauben.«
    Bela nahm den Hammer wieder auf, ließ ihn dann aber unverrichteter Dinge sinken.
    »Ich habe mit fünfzehn geheiratet. Einen ordentlichen Mann, Almut, einen Kleinbauern, draußen vor Brühl. Meine Eltern waren froh, einen Esser weniger zu haben, es war immer knapp bei uns. Bei meinem Mann ging es mir besser. Ich habe auch hart gearbeitet, aber es stand immer eine sättigende Mahlzeit auf dem Tisch. Wir hatten zwei Töchter, aber ihnen war kein langes Leben beschieden. Denn es kam ein kalter Winter und die Lungenseuche, und sie siechten dahin. Wir hatten keine Mittel, um den Arzt oder die Medikamente zu bezahlen, und darum bin ich zu dem Pfarrer gegangen. Ich dachte, ich könne ihn um Hilfe bitten. Gern habe ich es nicht getan, aber er lebte in einem schönen, großen Steinhaus, hatte ein feines Pferd und prunkte in kostbarer Kleidung herum. Aber er hat mich behandelt wie den letzten Dreck. Das Geld für die Medizin, um das ich ihn gebeten hatte, verwehrte er mir. Stattdessen hat das fette Schwein sogar noch versucht, mich anzugrapschen, und mir erzählt, er würde mir neue Kinder machen, wenn die Kleinen sterben! Der hat’s mit allem getrieben, was sich bewegte, und mit manchem anderen auch!« Bela drückte jetzt die Stirn an einen Holzbalken, und Almut legte ihr die Hand auf die Schulter. »Beide Mädchen starben.«
    Bela schwieg erinnerungsschwer, dann aber schüttelte sie Almuts Hand ab.
    »Ich war damals außer mir vor Zorn. Ich prangerte seine Prunksucht an, und über sein

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