Die elfte Jungfrau
nachstand, trieb er die zehn Mönche, einschließlich ihres frömmelnden Verwalters, unnachgiebig zur Arbeit an. An eine Rückkehr nach Köln war zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken.
Im Kloster zu Machabäern aber lag Pia voller Anspannung im Dormitorium und sah dem schwankenden Hängeleuchter zu, der neben der Aufsicht führenden Schwester sein unstetes Licht verbreitete. Es waren einige äußerst unangenehme Tage gewesen, die sie verbracht hatte. Lästige Fragen waren ihr gestellt und strengste Mahnungen ausgesprochen worden. Ihr Besuch bei dem Zaubermeister war entdeckt worden, und wenn sie sich auch herausreden konnte, sie habe nur ein harmloses Magenmittel erstehen wollen und kein Wort über einen Liebesstrank verloren, so musste sie doch eine heftige Strafe auf sich nehmen. Lange Stunden hatte sie in der Kapelle auf dem kalten Boden gekniet und zur Buße gebetet.
Dazu kam, dass die Aufsicht über die Novizinnen verschärft wurde. Sogar Schwester Ermentrude hatte sich leider, leider auch einer viel aufmerksameren Wachsamkeit befleißigt. Sie nickte jetzt nicht mehr in der atmenden Dunkelheit der Schlafkammer ein, sondern ließ sich alle Stunde von einer Laienschwester einen heißen Aufguss liefern, der sie wach halten sollte. Die andere Schwester, mit der sie sich bei den Nachtwachen abwechselte, war ohnehin weit achtsamer.
Ärgerlich drehte Pia sich auf die andere Seite. Am Vormittag hatte wieder ein Blumensträußchen auf der Mauer gelegen, das zwischen ihnen vereinbarte Zeichen, er wolle in der Dunkelheit auf sie warten. Doch heute wütete der Sturm, und sicher war auch er im Haus geblieben. Sie hoffte, am Sonntag würde ein nächtliches Entkommen möglich sein, da Schwester Ermentrude Dienst im Dormitorium hatte.
Neben ihr jammerte eine Novizin leise im Schlaf. Es war jene, die den Zahn verloren hatte. Der üble Zauber wirkte auf sie offensichtlich noch immer, denn nun hatte sie eine geschwollene Wange und einen vereiterten Zahn. Man hatte ihr Laudanumtropfen gegeben, obwohl die Äbtissin gesagt hatte, Schmerzen seien eine Strafe Gottes und stumm zu ertragen. Vor allem in der Fastenzeit, in der alles an die Leiden Jesu erinnern sollte. Aber die Tropfen, die die mitleidige Schwester Ermentrude ihr verabreicht hatte, stammten aus dem Apothekenschränkchen der ehrwürdigen Mutter selbst. Sie schienen eine tiefe Benommenheit auszulösen, denn seit Stunden schlief ihre Bettnachbarin nun, ohne sich zu rühren.
Pia erlebte plötzlich das Ende ihres Kopfzerbrechens. Morgen konnte sie entschlüpfen. Schwester Ermentrude würde Aufsicht führen, und ihr musste sie nur heimlich die Tropfen in den Becher ihres stündlich gelieferten Getränkes schütten.
Lautlos und mit ganz langsamen Bewegungen angelte Pia nach dem Fläschchen auf der Truhe zwischen den schmalen Betten.
30. Kapitel
G estern hast du die Möglichkeit, eine ehrbare Pfarrhaushälterin zu werden, vollends verspielt!«
Clara nahm sich von dem Grießbrei und goss reichlich Honig darüber.
»Dabei habe ich mir mit der Grütze solche Mühe gegeben. Und ihr habt sie alle gelobt.«
Almut rührte unter ihren Brei getrocknete Aprikosenund Birnenschnitze.
»Ja, es ist dir gelungen, sie geradezu meisterhaft anbrennen zu lassen!«
Rigmundis wählte süße Mandelmilch und geröstete Haselnüsse zu ihrem Brei, und Almut zitierte belehrend: »›Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein …‹, sagt schon der Prediger. ›Alles liegt an Zeit und Glück.‹«
Almut leckte den Löffel mit Behagen ab.
»Dann hattest du gestern besonders großes Glück!«, stellte Bela fest und schüttelte sich bei der Erinnerung an das kärgliche Mahl. Dann streute sie eine reiche Hand voll Rosinen auf ihren Brei.
Pitter, der nach der Unterrichtsstunde mit verköstigt wurde, biss, als rechter Mann, der mit Süßem nicht zu locken ist, lieber in ein mit herzhaft geräuchertem Fisch belegtes Brot und schaute mit wachsendem Staunen von der einen Begine zur anderen.
»Ihr esst sonntags nur Grütze, Frau Almut?«, fragte er dann fassungslos.
»Wenn Pater Leonhard zu Gast ist, Pitter, halten wir strenges Fasten ein.«
Pitter grinste auf einmal wissend.
»Och, das wird dem aber nicht gefallen.«
»So hoffen wir!«, nuschelte Clara mit vollem Mund.
»Und er wird hoffentlich auch nicht weiter darauf drängen, dass Almut ihm sein Haus führt«, ergänzte Bela mit einem Schmunzeln.
»Nein, Frau Almut, das dürft Ihr
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