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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Februar ins Land, und genauso trist war ihre Stimmung. Das war für Almut eigentlich ungewöhnlich, denn üblicherweise hatte sie ein heiteres Gemüt, wenn auch gelegentlich unerwartete Temperamentsausbrüche sie schon mal in Schwierigkeiten brachten. Aber derzeit schien die schwarze Galle, die melaina cholé , das Gleichgewicht ihrer Körpersäfte zu stören. Sie sei melancholisch, lautetet Elsas Diagnose der Meisterin gegenüber, was sie zufällig mitbekommen hatte. Dem wollte sie durchaus zustimmen, denn seit einigen Tagen hing die düstere Wolke über ihr. Normalerweise hätte sie Trost im Gebet gesucht, doch diesmal fand sie noch nicht einmal die Kraft, sich Maria, der Krone des Himmels, anzuvertrauen.
    Schwach schimmernd stand die vergoldete Figur der göttlichen Mutter auf dem Betpult in der Ecke und schien nachdenklich ihre trübsinnige Tochter zu betrachten.
    Der Regen wurde heftiger, die Tropfen schlugen gegen die Scheiben und rannen nieder wie Tränen. Almut drückte die Stirn gegen das kalte Glas und seufzte.
    Das Trappeln junger Füße kündete das Ende des Unterrichts an, und die Stiege knarrte, als Clara zu ihrer Kammer emporstieg. Doch statt sich dorthin zu wenden, klopfte sie bei Almut an und trat unaufgefordert ein.
    »Lass mich in Ruhe, Clara!«, bat Almut, als sie die ältere, schlanke Frau bemerkte, deren fein geschnittenes Gesicht unter dem weißen Gebände und dem grauen Schleier durchgeistigt und ätherisch wirkte.
    »Gleich. Wenn du mir verrätst, was vorgefallen ist.«
    »Ist doch unwichtig!«
    »Nein, ist es nicht. Du hast Bertram rausgeworfen, und du weißt, wir haben uns verpflichtet, ihn am Unterricht teilnehmen zu lassen. Du selbst hast es angeregt, damit du deine süßen Pasteten von Frau Lena bekommst, erinnerst du dich?«
    »Ja, ja, ja, ich bin ein triebhaftes Weib, das nur auf seinen Genuss aus ist und unschuldige Kinder misshandelt!«
    »Almut!«
    Clara erlaubte sich ein mitleidiges Lächeln.
    »Er hat Teufelchen gequält!«
    »Das kann ich kaum glauben. Er liebt dieses Tier innig.«
    »Er hat die Katze gekniffen und dann durch den Raum geworfen! Und als Antwort hat er nur dumpf vor sich hin gestarrt!«
    »Bertram ist ein aufgeweckter Junge, bei weitem der Klügste in meiner Schülerschar. Wenn er sich so verhalten hat, dann mag er einen Grund gehabt haben. Er ist krank, das weißt du doch genau!«
    Almut seufzte noch einmal.
    »Und die Zahlenreihen wollen auch nicht stimmen!«
    »Nein, das wollen sie manchmal nicht.« Clara war etwas näher getreten und legte Almut die Hand auf den Arm. »Seit Sonntag bist du so niedergedrückt. Hast du dich mit deinem Pater gezankt? Er hat dich doch herbegleitet, nach der Verlesung der Sühneurkunde.«
    Wütend schüttelte Almut Claras Hand ab und zischte: »Er ist nicht mein Pater!« Dann drehte sie sich wieder dem regennassen Fenster zu und murmelte: »Er wird es nie sein!«
    »Ah, daher weht der Wind. Je nun, Almut …«
    Leise verließ Clara den Raum.
    »Mist, Maria!«, schnaubte Almut und stampfte mit dem Fuß auf. Dann nahm sie ihren Umhang und lief die Stiegen hinunter. Bela, die im Pförtnerhäuschen saß und an einer Binsenmatte flocht, rief sie zu, sie wolle zu Lena, der Pastetenbäckerin, gehen.
     
    Zwei Häuser weiter, auf der Ecke zur Straße, die vom Eigelstein in die Stadt führte, verrieten schon köstliche Düfte aus dem Backofen das Gewerbe der Pastetenbäckerin. Sie hätte keinen besseren Standort wählen können. Durch das Tor strömte ein große Anzahl Reisender, Pilger, Bauern und Händler, die alle einer Wegzehrung nicht abgeneigt waren. Unter dem vorragenden Obergeschoss hatte Lena einen Stand aufgebaut, auf dem sich in Körben die goldbraunen Teigtaschen häuften. Hier saß Bertram und reichte den Kunden die gewünschten Pasteten und zählte die Münzen ab. Lena selbst walkte frischen Teig vor dem Kamin, über dessen Feuer in einem Kessel die aromatische Füllung köchelte.
    Bertram erkannte Almut und sah betreten auf seine Hände.
    »Die Mutter ist drinnen!«, murmelte er schuldbewusst.
    Doch Almut blieb bei ihm stehen und zeigte ihm ein schiefes Lächeln.
    »Ich habe dir Unrecht getan, Bertram. Vergib mir.«
    »Aber, Frau Almut …!«
    »Du magst das Kätzchen sehr, und du würdest ihm nie wehtun, nicht wahr?«
    Stumm schüttelte er den Kopf.
    »Du darfst selbstverständlich wieder zum Lernen kommen!«
    »Wirklich? Ich meine …«
    »Natürlich.«
    Lena hatte sich die mehligen Hände abgewischt und tauchte jetzt neben

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