Die elfte Jungfrau
Denn ganz gewiss war es nicht der Infirmarius, der ihn hinein- und schon gar nicht hinausbegleitet hatte. Sie fragte sich, ob es ihm wohl ein heimliches Vergnügen bereitet haben mochte, die Wachen an der Nase herumzuführen. Ganz ausschließen mochte sie das nicht.
Sie hatten bald die Apotheke am Neuen Markt erreicht, und Krudeners heisere Stimme lud sie ein, ins Laboratorium zu treten. Am Tisch saßen Pater Ivo und Bertram, beide in schwarzen Kutten. Bertram stand auf, als Almut zu ihm kam, und strahlte sie an.
»Ich habe Euch zu danken, Frau Almut!«
»Oh nein, zu danken hast du einer ganzen Reihe anderer Leute.«
»Er hat es Euch zu danken, denn Ihr wart es, die diese törichte Posse angezettelt hat«, wies Pater Ivo sie vorwurfsvoll hin, und Almut nickte fröhlich.
»Man braucht solch törichte Possen dann und wann, Pater. Denn wie schon der Prediger sagt: ›Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest.‹«
Krudeners krähendes Lachen brachte den grünen Papagei dazu, ebenfalls in ein Gekrächze auszubrechen, aber Bertram biss sich auf die Lippen, weil der Benediktiner doch ein unbewegtes Gesicht behielt. Etwas verwirrt setzte er sich wieder auf die Bank.
Trine, die aus dem Kessel über dem Kaminfeuer heißes Wasser in eine Kanne schöpfte, kam, um Almut liebevoll zu begrüßen, und wies dann auf das schmuddelige Gesicht des Befreiten.
»Du bereitest ein Bad für ihn vor. Ja, das mag sehr recht sein. Soll ich dir helfen, die Kannen zu tragen?«
»Das werden Pitter und Bertram schon machen«, mischte sich Krudener ein und schob einen hölzernen Laden in der Wand neben der großen Feuerstelle auf. »Pitter, begleite Bertram nach nebenan, Trine wird euch das heiße Wasser zureichen.«
Almut spähte neugierig durch die Öffnung und fand hinter dem Kamin einen prächtigen Baderaum mit einem hellen Kachelboden, der mit einem großen Bottich und gepolsterten Ruhebänken ausgestattet war. Weiße Leintücher, weiche Decken, Tiegel mit Salben und Fläschchen mit duftenden Ölen befanden sich auf einem Bord, und schön gewebte Vorhänge verkleideten die Wände.
»Welch luxuriöse Badestube Ihr besitzt, Meister Krudener.«
»Ich habe sie anbauen lassen, Frau Almut, als ich dieses Haus bezog. Die öffentlichen Badehäuser meide ich aus verschiedenen Gründen. Mein Leben unter den Mauren mag mit gewissen Beschwernissen verbunden gewesen sein, doch die Wohltat eines heißen Bades habe ich hier sehr vermisst.«
Almut machte Platz, als Trine die erste dampfende Kanne durch die Öffnung reichte, und begab sich zu der grauen Katze auf die Bank.
»Ich habe Bertram hierher gebracht, Begine, um ihn noch einmal von Krudener untersuchen zu lassen. Und um sicherzugehen, dass man ihm nicht zufällig im Kloster begegnet. Die Wachen suchen ihn selbstverständlich. Morgen hole ich ihn dann zu uns. Für eine Weile.«
»Habt Ihr den Jungen wohl befunden, Meister Krudener?«
»Erstaunlich wohl. Wenn auch hungrig und mit recht steifen Gliedern. Die Behandlung, die er über eine Woche erhalten hat, war unerfreulich. Doch die Befreiung scheint seinen Mut belebt zu haben, und ich habe den Eindruck, er hat nicht zu sehr darunter gelitten. Einen Anfall, falls Ihr das wissen wollt, hat er weder dort noch hier gehabt.«
»Das ist gut so. Es hätte die Sache erschwert.«
»Ohne Zweifel. Ich befürworte im Übrigen seine Absicht, ins Kloster einzutreten, das habe ich Ivo auch schon erklärt.«
»Ich bin es nicht, der darüber zu entscheiden hat. Aber er wird in jedem Fall einige Tage bei uns verbringen.«
Trine hatte die Lade wieder geschlossen und kam zu ihnen.
»Pitter bleibt bei ihm!«, gab sie zu verstehen und setzte sich.
»Gut so!«
»Ist es wahr, dass die Novizin, die den Liebestrank haben wollte, umgebracht wurde?«, wollte sie dann wissen.
Almuts fröhliche Stimmung schwand augenblicklich.
»O ja, Trine, das ist leider wahr.«
Krudener blickte von dem Benediktiner zu ihr und zurück.
»Ich habe gehört, Ihr seid in diese Angelegenheit verstrickt, Frau Almut, und Ivo hat nicht unberechtigte Furcht, Bertram könnte ebenfalls daran beteiligt sein. Er hat Euch verletzt.«
»Es war Zufall.«
»Sicher. Das war es vielleicht bei den anderen Frauen auch. Ich will ehrlich sein - fähig ist er dazu.«
»Körperlich, ja. Geistig, nein.«
»Solange er Herr seiner Sinne ist.«
»Meister Krudener … Nein.«
»Nein. Jemand bringt die Mädchen mit Vorsatz um.«
»Habt Ihr ein wenig
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