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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Zeit, Begine?«
    »Ja, ich habe die Erlaubnis, so lange wie nötig zu bleiben.«
    »Dann wollen wir gemeinsam nachdenken.«
    »Ich wäre Euch dankbar dafür. Es stimmt mich nämlich inzwischen genauso verdrießlich wie anfangs das elende Bandweben.«
    »Das Bandweben?«
    »Oh, unsere Ursula Wevers hat versucht, mir die Brettchenweberei beizubringen. Ich bin aber nicht sehr geschickt darin.«
    »Verzeiht, Frau Begine, was hat diese Handarbeit mit unserem Fall zu tun?«
    »Ich finde es einen guten Vergleich. Seht, es werden dabei Fäden durch die vier Löcher von einem quadratischen Brettchen gezogen. Mehrere dieser Brettchen werden dann zu einem Stapel zusammengesetzt und die Kettfäden straff gezogen. Dann kann man durch Drehen des Brettchenstapels wie bei einem Webstuhl das jeweilige Fach öffnen, also die Kettfäden spreizen, und das Schiffchen hindurchziehen. Aber bei mir wollte und wollte das Muster nicht erscheinen, das ich mir vorgenommen habe.«
    »Hm, ich verstehe wenig von den weiblichen Künsten. Man nimmt sich ein Muster vor?«
    »Ja, man denkt es sich aus und kann es dann durch die Anzahl der Brettchen, die Art, wie man die Fäden hindurchzieht und welche Brettchen man anschließend wie herumdreht, festlegen. Ihr seht an Trines Kleid eine recht komplizierte Borte, die auf diese Weise entstanden ist.«
    Meister Krudener und Pater Ivo betrachteten den Ärmel, den Trine ihnen bereitwillig zur Anschauung überließ. Er war mit einer Borte in einem verschlungenen geometrischen Muster aus blauen, grünen und weißen Fäden besetzt.
    »Frau Almut, Ihr fasziniert mich.«
    »Weshalb?«
    »Weil die Herstellung eines solchen Bandes mit den schlichten Hilfsmitteln, die Ihr nanntet, ein ausgeprägtes arithmetisches und geometrisches Wissen voraussetzt. Die Beherrschung dieser Künste war bislang eine der Eigenschaften, die ich nicht zwingend mit Eurem Geschlecht verbunden habe.«
    »Ich weiß nicht viel von den Künsten, Meister Krudener, aber ich kann rechnen und in der richtigen Reihenfolge denken. Jede Weberin muss das können.«
    »Ich muss Abbitte leisten - offensichtlich allen Frauen gegenüber. Und mich selbst der hochgradigen Ignoranz zeihen. Ich habe mir wahrlich nie Gedanken darüber gemacht, wie derartige Dinge entstehen.«
    »Dabei betreibt Ihr etwas ganz Ähnliches, Meister Krudener.«
    »Ich?«
    »Ja doch.« Almut wies auf den Holzschnitt hin, der an der Wand hing und die zwölf Tierkreiszeichen darstellte. »Ihr sagtet mir einmal, die sieben Planeten bestimmten das Leben des Menschen. Ihre Kräfte scheinen mir so ähnlich wie die Kettfäden zu sein, die Tierkreiszeichen wie die Brettchen. Ihr berechnet auch, wie sie zueinander stehen, wie sie sich drehen, und wie sie so das Muster des Lebens bestimmen. Der Mensch sitzt im Weberschiffchen und wandert durch die sich öffnenden Fächer.«
    Krudener öffnete den Mund, sagte aber nichts. Pater Ivos Schultern bebten vor unterdrücktem Lachen. Er fasste sich jedoch wieder und erklärte: »Und so, Krudener, stellt man die schlichteste Verbindung zwischen den Parzen und Moiren und der Astrologia her.«
    »Ich kenne keine Moiren oder Parzen, Pater Ivo. Die Namen hören sich nicht schön an.«
    »Es sind heidnische Schicksalsgöttinnen, Frau Sophia.« Und nun fing auch Meister Krudener an zu lachen. »Von ihrer Art her sind sie Weberinnen«, fügte er dann noch erhellend hinzu. »Ich hätte es irgendwie schon lange erkennen müssen.«
    Pater Ivo schlug vor: »Krudener, Ihr habt einige Folianten mit den griechischen Mythen in Eurem Besitz. Ich denke, Ihr solltet der Begine die eine oder andere Passage übersetzen. Es wird ihren Geist beflügeln.«
    »Das will ich wahrhaftig tun.«
    Aber Almut dankte ihm nur gedankenverloren, denn sie war von einem anderen Bild gefangen.
    »Wisst Ihr, es ist mit dem Fall dieser ermordeten Jungfrauen deshalb so schwierig für mich, weil ich lauter lose Fäden vor mir sehe und das unerquickliche Gefühl habe, es müsse ein Muster dahinterstecken. Nur ich bin zu dumm, es zu erkennen.«
    »Ah ja, wir wollten uns ja eines ganz anderen Problems annehmen. Verzeiht zwei törichten Männern das Abschweifen. Sagt, wie würdet Ihr denn in einem solchen Fall in der Weberei vorgehen, um herauszufinden, welches Muster entstehen soll?«
    »Das Einfachste wäre, diejenige zu fragen, die es entworfen hat.«
    »Was würde die Euch antworten?«
    »Sie würde mir erklären, wie ich die Brettchen zu drehen habe, damit das Muster sich

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