Die elfte Jungfrau
Tisch mit der vergoldeten Marienstatue Platz genommen und sah Almut schelmisch an.
»Er hat sich da doch schon jemanden ausgesucht.«
»Wie kommst du darauf?«
»So wie er dich anguckt!«
»Mich?!?«
Trines Augen sprühten vor Lachen, aber Almut wurde ernst. Seit dem Nachmittag tafelten die Beginen, und Pater Leonhard, den sie zu dem Festessen am fetten Donnerstag eingeladen hatten, unterstützte sie tatkräftig bei dem Vertilgen all der Vorräte, die in der Fastenzeit nicht auf den Tisch kommen durften. Fette Würste, schmalzgebackene Eierteige, gesottenes und gebratenes Fleisch, dicke Suppen mit Markknochen, Gänseleber und süße Pasteten standen auf dem Tisch. Almut, die den ganzen Vormittag Mauern hochgezogen hatte, hatte sich mit guten Appetit über die Speisen hergemacht und sich zunächst nichts dabei gedacht, als der Priester sich neben sie setzte. Er war auch viel zu sehr mit dem Essen beschäftigt, um sie mit seinen üblichen Sermonen zu langweilen. Aber dann, als die Weinbecher mehrmals nachgefüllt worden waren, hatte er eine Unterhaltung mit ihr begonnen und war, wie sie jetzt im Nachhinein feststellte, immer näher an sie herangerückt. Er berichtete ihr, er sei seinem Versprechen nachgekommen und habe mit ihrem Vater über ihren Wunsch, unverheiratet zu bleiben, gesprochen. Ob er damit wirklich Erfolg gehabt hatte, wagte Almut jedoch zu bezweifeln. Allzu lobend stellte er ihren Entschluss dar, ein keusches Leben zu führen und den Verlockungen des Fleisches nicht nachzugeben. Conrad Bertholf mochte ein ehrbarer Baumeister sein, die Verlockungen des Fleisches - in aller Ehrbarkeit - hatte er sich nie versagt. Nachdem Almuts leibliche Mutter im Pestjahr gestorben war, hatte er einige Jahre lang mit Frau Nasreen im Konkubinat gelebt. Aziza war die Frucht dieser leidenschaftlichen Beziehung. Danach hatte er Frau Barbara geehelicht und mit ihr Peter und Mechthild gezeugt. Wie es schien, führte er auch heute noch eine sehr zufrieden stellende Ehe mit seiner zweiten Gemahlin. Salbungsvollen Reden über die Verdienste der Ehelosigkeit pflegte er gewöhnlich mit unwirschen Kommentaren zu begegnen.
Trine lutsche an ihrer Karamelle und meinte: »Er ist doch ein gut aussehender Mann, der Pater Leonhard. Magst du ihn nicht, Almut?«
»Bestimmt nicht genug, um seine Haushälterin zu werden.«
»Na ja, den Bruder Jakob finde ich auch lustiger.«
»Das, Trine, bringt uns zu dem Thema, worüber ich mich mit dir unterhalten wollte.«
»Du bist sehr ernst, Almut. Ist es was Schlimmes?« Almut schüttelte den Kopf.
»Nein, eigentlich etwas ganz Normales. Ich wollte mit dir über die Männer sprechen.«
»Ach, Männer.« Trine sah sie vergnügt an. »Stell dir vor, manche machen mir schöne Augen. Wie der Pater Leonhard bei dir. Und versuchen, nahe an mich heranzukommen. Aber ich kann ihnen sehr genau klarmachen, dass ich so etwas nicht will. Keine Angst, Almut. Mir wird keiner etwas gegen meinen Willen antun.«
»Genau das meinte ich«, stellte Almut trocken fest. »Nicht gegen deinen Willen. Sie können dir gerade mit deiner Einwilligung einiges antun.«
»Oh!«
Trine schien nachdenklich zu werden und betrachtete sinnend Maria, die Mutter des guten Rates. Dann wandte sie sich wieder an Almut, die schweigend auf der Bettkante saß.
»Dazu müsste ich mich aber verlieben, nicht wahr?«
»Zum Beispiel.«
»Das soll aber sehr schön sein.«
»Das kann auch sehr weh tun.«
Trine stand auf und kniete zu Almuts Füßen nieder.
»Wenn einen der andere nicht wiederliebt? Kann man dann jemandem helfen? Gibt es Tränke, die Liebe bewirken? Ein junges Mädchen war vor zwei Tagen bei uns und wollte so etwas haben.«
»Es gibt keine Tränke, die Liebe herbeizaubern.«
»Nein, nicht wahr? Ich habe sie mit einer Butterkaramelle trösten wollen, aber sie war mir böse. Die Karamelle hat eine ihrer Freundinnen gegessen und davon so heftige Zahnschmerzen bekommen, dass der Zahnreißer ins Kloster kommen musste. Der hat das tags darauf dann Meister Krudener erzählt. Wir haben furchtbar darüber gelacht.«
»Ei wei!«
Das war zwar nicht ganz das Thema, worüber Almut mit Trine sprechen wollte, aber hier zeigte sich eine ganz neue Bedrohung.
»Wer hat dich denn um den Liebestrank gebeten?«
»Eine Novizin von Machabäern. Vermutlich ausgerissen.«
»Das hört sich nach mehrfachem Ärger an.«
»Für sie, nicht für mich. Die Leute wissen doch, dass Meister Krudener nur ganz normale Arzneien verkauft.«
Almut
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