Die elfte Jungfrau
Das aber hat Pitter einige sehr unkeusche Gedanken eingegeben. Hat er ihn doch gefragt, ob das nicht für einen Bräutigam alleine recht anstrengend sein muss, fünf törichte und fünf kluge Jungfrauen in einer Nacht zu beglücken. Und Bertram hat auch einen ziemlich bösen Rüffel abbekommen, als er ihn darauf hingewiesen hat, es seien ja doch nur fünf gewesen, die hineingingen zur Hochzeit. Die Törichten mussten ja vor der Tür auf die nächste Nacht warten.«
Almut gluckste vor sich hin und überlegte, wie ein anderer Pater wohl auf diese vorlauten Bemerkungen reagiert hätte. Sicher nicht mit salbungsvollen Belehrungen. Die leider den Hinweis enthielten, der Bräutigam stünde für den Erlöser und die Jungfrauen für die Gläubigen. Zum Glück hatte Pitter nur für die nahe bei ihm Sitzenden verständlich gemurmelt, er traue sich schon zu, in einer Nacht fünf Jungfrauen zu erlösen. Frechdachs, der! Clara hatte einen konvulsischen Schluckauf bekommen, und Magda hatte ihren Schleier tief über die Stirn ziehen müssen. Sie selbst hatte sich fast ein Loch in die Wangen gebissen.
»Je nun, zumindest Trine ist keine törichte Jungfrau«, erklärte Almut der göttlichen Mutter. »Aber diese Gerüchte um Meister Krudener geben mir zu denken, Maria. Obwohl er vermutlich Erfahrung mit derartigem Gerede hat. Wie sein versteckter Keller zeigt. Nur auf Trine darf es sich nicht auswirken. Am besten wird sie eine Zeit lang wieder hier bei uns leben. Das wäre mir sowieso am liebsten.«
Almut rieb sich das Gesicht mit den Händen.
»Ich hätte nicht so viel Schmalzgebackenes essen sollen. Es liegt mir schwer im Magen. Ich werde morgen fleißig an deiner Kapelle weiterbauen, Maria, das verspreche ich dir. Und keinerlei unzüchtigen Gedanken nachhängen. Ehrlich! Und nun, heilige Mutter Gottes, beschütze alle, die ich liebe. Und die anderen auch. Amen.«
18. Kapitel
W ie das Schicksal es wollte, konnte Almut am folgenden Tag nur eines der Versprechen einlösen, die sie in der Nacht der Jungfrau Maria gemacht hatte - sie baute eifrig an der Kapelle weiter. Doch am frühen Nachmittag stellte sie fest, dass der Haufen der gelieferten Steine bis auf einen kleinen Rest aufgebraucht war und sie für den folgenden Tag keinen Vorrat mehr hatte. Sie erhielt die Erlaubnis, ihren Vater aufzusuchen, und Gertrud, die auf den Markt gehen wollte, erklärte sich bereit, bis zur Mühlengasse mitzugehen. Zurück würde sie sicher eine Magd von Frau Barbara begleiten.
Almut wechselte also den Arbeitskittel gegen das graue Wollkleid, und im letzten Moment packte sie das Kästchen mit den Butterkaramellen noch in ihre Gürteltasche. Diese Leckerei würde Peter und Mechthild eine besondere Freude machen.
Sie waren ein großartiger Erfolg, selbst Frau Barbara konnte nicht widerstehen und naschte zwei davon. Das Gerücht, es hafte ihnen ein Zauber an, der die Zähne ausfallen ließ, entlockte ihr schallendes Gelächter. Aber dann wurde sie doch etwas ernster und fragte ihre Stieftochter: »Was ist dieser Meister Krudener eigentlich für ein Mann, Almut? Er hat keinen guten Ruf, hört man. Obwohl ich nicht viel darauf gebe.«
»Er ist ein Apotheker, ein Alchimist und ein Ketzer. Und ein gütiger Mensch.«
Frau Barbara trug heute einen einfachen Surkot in dunklem Rot und nur ein klein wenig Samtbesatz. Ihre Haube unter dem gekräuselten Schleier war geradezu schlicht zu nennen und hatte keinerlei Auswüchse an den Seiten.
Sie saß im Kontor, Feder und Tintenfass an der Seite, und hatte sich der monatlichen Buchführung gewidmet, als Almut anklopfte.
»Nun, du bist ein vernünftiges Wesen, und wenn du ihn schätzt, wird er wohl ein ordentlicher Mann sein. Auch wenn ich Ketzer befremdlich finde. Warum zanken sie sich immer mit den Vertretern der Kirche?«
Darauf hätte Almut verschiedene Antworten geben können, aber die gütige Maria bewahrte sie davor.
»Sogar dein Vater hat sich vorgestern mit diesem Pater Leonhard angelegt. Er ist richtiggehend laut geworden. Dabei hat der gute Mann doch nur versucht, ihm deinen Standpunkt klarzumachen. Er hat deine vorbildliche Tochterliebe und deinen sittsamen Lebenswandel gelobt.«
»Was wusste mein Vater darauf zu erwidern?«
»Dass es ihm lieber wäre, du würdest als sittsame Ehefrau leben, und wenn das nicht dein Wunsch sei, dann wenigstens so wie deine Schwester Aziza, und nicht in einem geschwätzigen Frauenklüngel.«
»Ei wei! Er muss ihn sehr gereizt haben.«
»Ja, hat er. Aber bei
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