Die elfte Jungfrau
seiner letzten Antwort schien Pater Leonhard nahezu der Schlag treffen zu wollen. Er verließ uns recht überstürzt.«
»Nun, das erklärt gewisse Verhaltensweisen. Pater Leonhard hat mir angeboten, ihm den Haushalt zu führen.«
»Bitte, was?«
»Und so, wie ich seine zart fühlenden Annäherungen verstanden habe, war damit auch die umfassende Betreuung seiner leiblichen Bedürfnisse mit inbegriffen.«
»Heilige Margarete, Beschützerin der Ehefrauen, was ficht diesen Pater an?«
»Je nun, wenn mein leiblicher Vater ihm zu verstehen gibt, er sähe mich lieber als Hure denn als Begine leben...«
»Aber das hat er doch gar nicht gemeint! Aziza ist eine arbeitsame, anständige Frau!«
»Mein Herr Vater hat es nicht so gemeint, der Priester hat es aber so verstanden. Er verbot mir den Umgang mit der maurischen Hure. Den Schein weiß er recht wohl zu wahren!«
Frau Barbara wirkte erschüttert, und Almut lächelte sie verständnisvoll an.
»Ich habe selbstverständlich sein Ansinnen abgelehnt. Wisst Ihr, Magda hat mir angeboten, ihre Nachfolgerin zu werden.«
»Eine kluge Frau, eure Meisterin. Wirst du annehmen?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich denke noch darüber nach.«
»Es wird dich noch fester an den Konvent binden.«
»Ja, das wird es.«
»Denk gut darüber nach, Almut. Dein Vater hat vielleicht nicht so ganz Unrecht.«
»Ich liebe meine Schwester, Frau Barbara, aber ihr Leben ist auch nicht frei von Leid und Kummer.«
»Welches Leben ist das schon...«
»›Das ist das Unglück bei allem, was unter der Sonne geschieht, dass es dem einen geht wie dem anderen.‹ So sagt der Prediger, und ich beginne allmählich, großen Gefallen an seinen Worten zu finden.«
»Nun ja, es ist zumindest eine passende Binsenweisheit.«
Almut lachte leise und kam dann zu dem eigentlichen Zweck ihres Besuches.
»Könnte Vater mir bitte morgen die zweite Fuhre Steine anliefern lassen, Frau Barbara? Ich komme gut voran mit dem Bau.«
»Aber natürlich. Ich werde es ihm ausrichten. Aber du wirst entschuldigen, wenn ich heute nicht so viel Zeit für dich habe. Die Arbeit drängt ein wenig. Aber Maria in der Küche wird dir sicher noch eine Mahlzeit richten. Iss doch mit den Kindern und ihrem Lehrer zusammen. Sie hat wunderbare Schmalzküchlein gebacken.«
»Uh, bloß die nicht! Wir haben gestern auch den fetten Donnerstag gefeiert, und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich geradezu auf die Fastenzeit!«
»Da sagst du was! Ich habe gestern auch zu viel gegessen.«
»Aber den Lehrer füttert Ihr auch mit durch?«
»Je nun, Magister Edwin ist ein rechter Hungerhaken. Ganz im Gegensatz zu seinem Bruder. Ach, das ist ein lustiger Vogel, Almut. Und ein bunter obendrein.«
»Ach was - ein Mönch auf Abwegen?«
Frau Barbara kicherte.
»Du hast auch schon von ihm gehört?«
»Bruder Jakob? Ich habe ihn bei Meister Krudener getroffen. Wie habt Ihr ihn kennengelernt?«
»Er hat neulich ein Buch aus der Klosterbibliothek für den Unterricht vorbeigebracht und ist dann eine Weile geblieben. Die Kinder hatten viel Spaß mit ihm.«
Sie plauderten noch eine kleine Weile, dann brach Almut auf. Frau Barbara begleitete sie zur Tür und wollte Anna, die Magd, rufen, damit sie sie zum Eigelstein begleite. Doch in dem Moment sah Almut durch das Fenster Pitter, den Päckelchesträger, im Haus gegenüber den Reisesack eines berittenen Kaufmanns abliefern und erhob Einspruch.
»Lasst mich mit Pitter zurückgehen, Anna ist so langsam zu Fuß und predigt mir die ganze Zeit Anstand.«
»Ist recht, Almut, dann ruf ihn!«
Als sie die Tür öffneten, stand jedoch Florens Steinheuer vor ihnen, der sich gerade anschickte, den Türklopfer zu betätigen. Er wirkte blass und verstört.
»Frau Barbara, ist meine Schwester bei Ihnen?«
»Nein, Florens. Wollte sie mich besuchen kommen?«
»Ich weiß es nicht. Sie ist heute Morgen aus dem Haus gegangen, um einige Einkäufe zu tätigen, und bisher noch nicht zurückgekommen. Wir machen uns Sorgen.«
»Wohin wollte sie denn gehen?«
»Zum Fischmarkt und zum Zeughaus und zur Apotheke.«
Almut mischte sich ein und schlug vor: »Fragt doch dort nach, Florens. Soweit ich gesehen habe, hat sie sich mit Trine angefreundet. Könnte es nicht sein, dass sie bei ihr die Zeit vergessen hat?«
»Ich bin schon bei Meister Krudener gewesen. Dort waren weder er noch seine Gehilfin.«
»Ist sie denn alleine in die Stadt gegangen?«
»Rosi, unsere Magd, hat sie begleitet, aber die ist... na ja, die ist
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