Die elfte Jungfrau
niedergelegt. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung und nicht zu vergleichen mit dem niederen Tier!«
»Ich zitiere höchst korrekt. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto bekömmlicher finde ich das Buch des Kohelet.«
»Ihr seid ein starrsinniges Weib, und ich werde Euch eine strenge Buße für diese Ansichten auferlegen müssen. Schwört dem ketzerischen Lesen der Bibel ab, Tochter, und nehmt in Zukunft demütig die Belehrungen aus berufenem Munde entgegen.«
Teufelchen sprang nun zu allem Überfluss von Almuts Schoß, rollte sich noch einmal gurrend auf dem Boden und streckte dann mit hoch aufgerichtetem Schwanz dem Pater sein Hinterteil entgegen. Er fuhr angewidert zurück, und leider hatte Almut große Mühe, ihren Ernst zu wahren. Sie schüttelte jedoch den Kopf und antwortete ihm standhaft: »Nein, ich gelobe nichts, was ich nicht halten kann, wie der Prediger es empfiehlt. Und ich werde jetzt besser meinem Handwerk nachgehen, statt mich mit Euch zu streiten.«
»Meine Tochter, Ihr wollt in Sünde verharren!«
»Ich halte es nicht für Sünde, in der Bibel zu lesen. Ihr tut es doch auch. Und unsere Meisterin ebenfalls.«
Das war ein Argument, das den Pater ein wenig betroffen machte. Mit Magda von Stave wollte er sich nicht anlegen. Immerhin hielt sie die Hand auf dem Geldbeutel, aus dem er für die Betreuung der Beginen bezahlt wurde.
»Nun gut, Frau Almut. Ich will nicht zu streng mit Euch sein. Sagt mir nun, was Euer Gewissen noch belastet.«
»Nichts, Pater. Ich habe ein tadelloses Leben geführt. Sieht man mal von etwas Völlerei am fetten Donnerstag ab, aber da habt Ihr ja neben mir gesessen.«
»Nichts sonst drückt Euer Gewissen? Nun, dann muss ich doch etwas erwähnen, meine Liebe. Es heißt nämlich, Ihr hättet unziemlichen Umgang mit Mönchen gehabt.«
Almut beugte sich zu Teufelchen hinab und ließ das Tuch auf ihren Haaren ein wenig über ihr glühendes Gesicht rutschen.
»Mit welchem Mönch?«, fragte sie, zur Katze gewandt.
»Dem Benediktiner, der sich ständig in unpassender Gewandung in den Schenken herumtreibt.«
Geschwind fuhr sie empor und fragte: »Bruder Jakob? In unziemlichem Umgang mit ihm? Ihr scherzt wohl?«
»Es ist schon verwerflich genug, meine Tochter, dass Ihr gemeine Schankstuben aufsucht, doch mir wurde zugetragen, Ihr habt Euch in der Hinterstube alleine mit jenem Bruder eine lange Zeit aufgehalten.«
»Erstens, Pater Leonhard, ist die Gastwirtin eine gute Freundin des Konvents. Zweitens, Pater Leonhard, habe ich mich mit Bruder Jakob in der Küche unterhalten, und drittens, Pater Leonhard, waren Gertrud, Franziska und eine der Mägde dabei anwesend. Wer immer Euch etwas über mich zugetragen hat, Pater Leonhard, wird Euch auch das getreulich berichten können!«
Kurzfristig druckste der Pater ein wenig herum, dann besann er sich und fragte mit Schärfe nach: »Wie dem auch sei - was hattet Ihr denn so Wichtiges mit Bruder Jakob zu besprechen?«
»Ich teilte ihm den Tod einer gemeinsamen Bekannten mit. Es erschütterte ihn, und ich spendete ihm Worte des Trostes. Das ist eine der fürsorglichen Aufgaben, die wir Beginen, wie Ihr gut wisst, uns verpflichtet haben zu erfüllen. Und keine Sünde, die ich zu beichten hätte.«
»Ihr seid hochmütig geworden, meine bedauernswerte Tochter. Kein Mensch ist ohne Sünde, doch Ihr maßt Euch an, rein und unschuldig zu leben.«
Teufelchen schnurrte und gurrte und rieb ihren Kopf an Almuts Knie. Es musste die Verbindung zum Teuflischen sein, die ihr die nächsten Worte auf die Zunge legte.
»Die einzige Verfehlung, die ich in der letzten Zeit begangen habe, Pater Leonard, ist die, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, meinen Beichtiger zur Sünde zu verführen.«
Pater Leonhard fuhr von seinem Platz auf und ging mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Sie entwischte ihm zur Tür, schnappte sich Teufelchen und lachte ihn strahlend an.
»Aber leider bin ich nicht dazu gekommen, denn er hat die Stadt verlassen!«
Mit der Katze im Arm huschte sie zur Küche und setzte das Tierchen bei der Köchin ab.
»Dieses sittenlose Geschöpf, Gertrud, scheint sich ausgerechnet in der Fastenzeit dringend nach einem Kater zu sehnen.«
»Sie ist rollig?«
Teufelchen gab selbst die Antwort darauf, indem es sich in der schamlosesten Weise gebärdete.
»Ich werde sie einsperren müssen. Sonst haben wir im Sommer Nachwuchs.«
Sie schnitt ein Stückchen von dem Fisch ab, den sie gerade zubereitete, und hielt es der Katze hin.
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