Die elfte Jungfrau
Evergisil...«
»Der Bischof wurde sehr verehrt, und die Glashüttner beten noch heute zu ihm. Euch, Frau Almut, würde ich hingegen lieber einen Fingernagel des heiligen Reinold verkaufen.«
»Des Patrons der Maurer? Hat es sich bis zu Euch herumgesprochen, dass ich mich auf das Bauen verstehe?«
Esteban lächelte ihr verschmitzt zu.
»Oder wäre Euch ein Zehenknöchelchen des heiligen Simon lieber?«
»Der was bewirken würde?«
»Er wird angerufen gegen Frauen, die zu Hause den Mann spielen!«
Almut lachte laut auf.
»Da wüsste ich einen Mann, der so ein Knöchelchen gebrauchen könnte. Und zwar den Namensvetter des Heiligen. Denn seine Franziska ist recht gut darin, im Hause den Ton anzugeben!«
Magda schien aus tiefster Versenkung aufzutauchen und hob das Dreikönigsbild hoch.
»Nun, Esteban, hier ist ein Werkchen, das mir so in etwa gefallen könnte.«
»Es ist höchst gefällig gemalt und natürlich eines der letzten von Christine.«
Almut zog sich zurück und überließ die beiden der Freude des Handelns. Sie setzte sich zu Fabio, der die Blumenbilder betrachtet hatte. Der Junge sah mit traurigen Augen zu ihr auf.
»Jetzt ist auch noch ihr Vater gestorben.«
»Ja, Fabio. Doch er ist bei ihr. Er wird nicht unglücklich sein.«
»Ich bin es. Ich verstehe nicht, warum mir mein Vater nicht glauben will. Es war kein Unfall, Frau Almut. Und ich möchte, dass derjenige, der sie vor den Karren gestoßen hat, in der Hölle schmort.«
»Das wird er mit Sicherheit.«
»Nicht irgendwann. Bald!«
»Die Rache musst du unserem Herrgott überlassen, Fabio.«
»Das sagt Vater auch. Aber ich will das nicht. Christine war die freundlichste Frau auf Erden. Und der, der es getan hat, war böse.«
Insgeheim musste Almut dem Jungen zustimmen.
»Er wird gefunden werden. Sag, Fabio, wer waren Christines Freunde? Kanntest du sie?«
»Sie hatte nicht viele. Sie lebte nur für ihren Vater und ihre Bilder. Mein Vater hat ihre Sachen für sie verkauft. Aber manchmal hat sie mit der Berte von nebenan geschwatzt. Das ist eine lustige Frau, die Mausefallen herstellt und auf dem Markt verkauft. Und mit dem alten Hannes. Der war ein Freund ihres Vaters.«
»Was hatte sie denn am Dreikönigstag gemacht, als ihr das Unglück passierte? Mir scheint, sie war keine Frau, die sich gerne in Menschenmassen begeben hat.«
»Nein, eigentlich ist sie an solchen Tagen immer im Haus geblieben. Bei Prozessionen und auch an den Fastnachtstagen. Ich weiß nicht, warum sie ausgegangen ist. Ihr Vater hat sogar gemeint, sie sei die ganze Nacht zuvor nicht zu Hause gewesen.«
»Was?«
»Ja, aber er war schon ein bisschen schusselig, wisst Ihr. Wahrscheinlich ist sie morgens früh aus dem Haus gegangen. Frau Almut - könnt Ihr nicht herausfinden, wer sie umgebracht hat?«
»Fabio, wie kommst du darauf, dass ich das könnte?«
»Weil... also, mein Vater... er sagt, er hat Euch schon mal gesehen. Im vergangenen Jahr. Da habt Ihr einen Weinpanscher entlarvt, sagt er.«
»Pssst, Fabio. Das hätte er nicht verraten dürfen.«
»Aber es stimmt, nicht wahr? Doch seid beruhigt, er hat nur mit Aziza darüber gesprochen.«
»Dann schweig du bitte auch darüber.«
»Aber Ihr versucht es?«
»Ja, Fabio, ich versuche es. Aber du musst mir helfen. Diese Gesichter hier, kennst du die Leute?«
Der Junge nahm die Porträts und betrachtete sie. »Berte und Hannes, der freche Neffe der Berte, der Krämer von nebenan. Den kenne ich hier nicht, aber das ist das Mädchen, das die Eier bringt, der Schreinschnitzer, der Pergamenter, seine Tochter, die alte Haubenmacherin. Ja, das sind sie.«
»War sie mit einem von denen an ihrem Todestag zusammen?«
»Weiß ich nicht. Aber ich könnte sie fragen. Oder?«
»Nein, tu das besser nicht. War Christine in den Tagen zuvor irgendwie anders als sonst? Kannst du dich daran erinnern?«
Fabio überlegte recht lange, und Almut schalt sich, ein Kind wie ihn für ihre Zwecke auszunutzen. Trotzdem - die Gelegenheit war zu günstig, um etwas über die junge Künstlerin zu erfahren.
»Ja, sie war anders. Zuletzt war sie irgendwie - hm - zappelig. Ich meine, nicht aufgeregt, aber so, wie ich mich fühle, kurz bevor wir auf eine lange Reise gehen. Es gibt dann immer so viel Neues, wisst Ihr. Und man weiß nie genau, wie es ausgeht.«
»Ja, ich verstehe. Hat sie einen neuen, großen Auftrag erwartet? Und hatte Angst, es nicht zu schaffen?«
»Ja, ja, so etwas Ähnliches.«
»Wer erteilte ihr denn
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