Die elfte Jungfrau
Die ignorierte das.
»Wenn Pater Leonhard sieht, wie sehr du ein Tier verwöhnst, wird er dich der Sünde zeihen. Die Katzen sind nämlich des Teufels.«
»Ach ja? Pater Leonhard kann sich entscheiden, ob er meine Sünden hören will oder meinen Hering essen möchte. So einfach ist das.«
Der Übermut steckte noch immer in Almut, als sie begann, die ersten Steine auf das Gerüst zu stapeln, und mit großer Energie arbeitete sie den gesamten Vormittag hindurch, und das Aschekreuz auf ihrer Stirn vermischte sich mit dem Staub der Erde.
»Pater Leonhard hat sich über dich beklagt, Almut!«, stellte die Meisterin fest, als die Begine später die Monatsaufzeichnungen mit ihr durchsprechen wollte.
»Ich war verstockt, richtig. Aber ich habe nichts getan, was ich ihm zu beichten hätte!«
Magda hörte die feine Betonung sehr wohl heraus. »Ihm nicht. Aber einem anderen?«
Mit einem schiefen Lächeln zuckte Almut mit den Schultern.
»Es wäre einen Versuch wert. Nein - ach, Magda, Pater Leonhard ist so engstirnig. Und außerdem halte ich ihn für bigott. Seine Versuche, mich als seine Haushälterin zu gewinnen, sind nicht frei von Hintergedanken.«
»Hm. Vielleicht hast du Recht. Bevor er mit dem Erzbischof nach Bonn ging, war er ein angenehmer, zurückhaltender junger Mann. Er wird in der Gesellschaft dort schlechten Einflüssen erlegen sein. Ich werde mich wohl nach einem anderen Kleriker umschauen, der uns betreuen kann. Aber das kann eine Weile dauern. Halte dich bis dahin zurück, Almut.«
»Ich versuche es, Magda.«
Sie gingen die einzelnen Posten durch, und mit der Feder tippte die Meisterin schließlich auf einen Posten Seidenstoffe.
»Die sind für deine Schwester, nicht wahr? Irma berichtet, die Bahnen sind fertig.«
»Darf ich sie ihr bringen?«
Nachsichtig lächelte Magda.
»Wir werden es gemeinsam tun. Denn es liegt auf dem Weg zu dem Reliquienhändler, und dem sind wir noch eine Antwort schuldig.«
»Wir haben uns doch inzwischen für den Schrein entschieden.«
»Schon wahr. Aber dieses Büchlein...«
Almut erinnerte sich an das Brevier mit den erlesenen Bildern, die Christine gemalt hatte.
»Er wollte es nicht verkaufen«, erinnerte sie Magda.
»Das nicht. Aber möglicherweise hat er noch andere Werke von ihr. Und wenn es nur ein Andachtsbildchen ist.«
Almut stellte erheitert die kleine Schwäche ihrer Meisterin für schöne Kunstwerke fest. Nun ja, der Konvent hatte unter ihrer Leitung recht gut gewirtschaftet, und da hatte sie das Recht, ein wenig Geld für einen kleinen Luxus auszugeben.
»Ich habe nichts dagegen, Esteban noch mal aufzusuchen. Er ist ein netter Mann und scheint sein Geschäft weitgehend redlich zu führen.«
»Nun, dann werden wir uns morgen auf den Weg machen. Schick eine Magd mit einer Botschaft zu deiner Schwester und dem Händler. Ich stehe nicht gerne vor verschlossenen Türen.«
Aziza erwartete sie schon, als Magda und Almut am nächsten Nachmittag mit den beiden Körben voll Seidenbahnen eintrafen. Sie trug ihr schlichtes blaues Kleid mit Anmut und hatte sich des hohen Gastes zu Ehren sogar einen Schleier über die Haare gelegt. Magda sah sich bewundernd in dem schön eingerichteten Raum um, und Almut bemerkte, dass ihre Schwester die Schwermut verlassen hatte. Sie wirkte heiter und gelöst, und auf dem Rahmen neben dem Kamin hatte sie die Fäden für einen neuen Wandteppich gespannt. In den flachen Körben daneben lagen Garnnocken in den brennenden Farben eines Sonnenuntergangs. Doch zu einem vertraulichen Gespräch gab es keine Gelegenheit. Nur zum Abschied legte Aziza Almut gut gelaunt den Arm um die Taille und drückte sie verschwörerisch an sich.
Die Tür zum Häuschen des Reliquienhändlers öffnete ihnen Fabio, der sie mit höflichen Worten hereinbat. Esteban hatte sich auf den Besuch vorbereitet und sein Angebot an Andachtsbildern auf dem Tisch ausgebreitet.
»Diese hier sind aus meinem derzeitigen Bestand. Aber Ihr habt Glück, Frau Magda, ich habe tatsächlich noch einige Bilder von Christine erhalten. Auch wenn der Anlass ein bedauerlicher ist.«
»Was ist geschehen?«
»Ihr Vater ist vorige Woche gestorben. Sicher, er war lahm und sein Augenlicht fast erloschen. Aber er hätte noch lange leben können. Den Tod seiner Tochter hat er nicht überwunden, und er wurde Tag für Tag schwächer. Wir haben ihn am Freitag zu Grabe getragen.«
»Möge er in Frieden ruhen.«
»Es wird ihn glücklich machen, mit seiner Tochter vereint zu sein.
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