Die elfte Jungfrau
wünschte, ihr Gewissen war stärker als die Versuchung des Fleisches.
Sie machte sich los und schlüpfte unversehrt in die Sicherheit der Klostermauern zurück.
25. Kapitel
B edenke, Mensch, dass du Staub bist!«
Almut bedachte es und ließ sich von Pater Leonhard das Kreuz von Asche auf die Stirn zeichnen.
Die Beginen hatten die frühe Messe an diesem Mittwoch besucht und kehrten geschlossen und schweigend zu ihrem Heim zurück. Es war nun, am ersten Tag der Fastenzeit, still in der Stadt. Allerorts hatten die Gläubigen die Kirchen besucht, und die Priester lauschten unermüdlich den Beichten der Bußfertigen. Pater Leonhard hatte angeboten, die Beginen einzeln zu besuchen, und wollte zur Terz im Hof erscheinen.
»Pünktlich, um an unserem Heringsessen teilzunehmen!«, folgerte Gertrud.
Angedenk dieser Vermutung stieg Almut erheitert die Treppe zu ihrer Kammer hinauf, um sich den Arbeitskittel überzuziehen. Das Wetter war immer noch trocken und mild, wenn auch nicht mehr strahlend sonnig. Auf jeden Fall war es aber dazu geeignet, eine gute Weile an dem Kapellchen zu arbeiten. Sie hatte aus dem Bauholz ein schulterhohes Gerüst gebaut und wollte heute das Mauerwerk weiter hochziehen. Das war ihr weit lieber, als sich weiter der Kunst des Bandwebens zu widmen. Die ungeliebte Brettchenarbeit lag mit wirren Fäden in dem Handarbeitskorb.
Teufelchen kam murrend und gurrend in ihre Kammer, gerade als sie die langen rotbraunen Flechten aufsteckte, die sie bei der staubigen Arbeit mit einem einfachen Tuch bedeckte.
»Na, aus der Küche vertrieben worden, Kätzchen?«
»Grrrip!«, maunzte Teufelchen, strich ihr mit weiteren gutturalen Lauten um die Beine und nahm dann exakt die Pose ein, in der Bertram sie geschnitzt hatte. Just als Pater Leonhard an der Kammertür erschien, warf sie sich vor Almut auf den Boden und rollte sich ekstatisch hin und her.
»Ihr pflegt ja einen inniglichen Umgang mit diesem Tier«, rügte er sie. »Ihr wisst doch, was für hinterhältige Geschöpfe sie sind. Vor allem die schwarzen stehen oft mit dem Teufel im Bunde.«
»Darum haben wir sie ja auch Teufelchen genannt!«
Almut hätte sich lieber zu ihrer Baustelle begeben, als sich mit dem Pater über ihre Sünden zu unterhalten. Sie wusste, sie hatte gefehlt, aber die Art ihrer Missetaten wollte sie gerade vor seinen Ohren höchst ungern ausbreiten.
»Das ist ein höchst lästerlicher Name, den Ihr da gewählt habt.«
»Je nun, da mögt Ihr sogar Recht haben. Unsere Bekanntschaft begann damit, dass sie eines unserer Hühner gemordet hat. Aber seit sie die Hüterin der Vorratskammer ist, hat sie unter dem Federvieh nicht mehr gewütet, sondern ist eine sehr fleißige Mäusefängerin geworden und hält unser Haus löblich von diesen Nagern frei.«
Teufelchen war auf Almuts Schoß gesprungen und verlangte nach weiteren Zärtlichkeiten. Sie rollte sich mit dem Bauch nach oben, und Almut hielt sie mit einem Lächeln wie ein kleines Kind im Arm, um sie zu kraulen. Auch das missfiel dem Pater, und er schüttelte missbilligend den Kopf.
»Ihr behandelt das Tier gerade so wie einen Menschen. Das ist Unrecht, meine Tochter. In den Ställen und Vorratskammern mag es geduldet werden, aber nicht hier in Eurer Kammer!«
Leider bewahrte die gütige Mutter Almut nicht vor dem Frevel, und gedenkend, dass alles Staub und eitel und ein Haschen nach dem Wind war, bewegte sich ihre Zunge, ohne dass sie ihr Einhalt gebieten konnte.
»›Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh.‹ Dies sagt so trefflich der Prediger Salomo.«
Empört funkelte Pater Leonhard sie an.
»Ihr habt schon wieder in den Schriften gelesen. Ich habe es Euch doch untersagt!«
»Ach ja, Ihr tatet es, und nun muss ich meine Verfehlung beichten. Ja, ich habe gesündigt, denn - ach, Pater Leonhard, es ist so schlimm, dass mein Vater mich schon in jungen Jahren das Lesen und Schreiben lernen ließ. Denn so springen mir geschriebene Worte immer gleich in mein schwaches Hirn und nisten sich dort ein.«
»Es ist keine Sünde, des Lesens kundig zu sein, wenn es auch das weibliche Hirn leicht überreizt, meine Tochter. Doch Ihr lest die Heiligen Schriften, und das steht Euch nicht zu. Es ist die Aufgabe geweihter Priester, sie dem Volk nahezubringen. Denn Eure Auslegungen sind falsch, und auch zitiert Ihr nach Belieben. Nie wurde ein solcher Unsinn in der Bibel
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