Die Elite
sich für mich verantwortlich fühlte und ich sie enttäuscht hatte.
Ich senkte den Kopf. Zum ersten Mal bereute ich mein Verhalten wirklich.
Königin Amberly streckte die Hand aus und legte sie auf mein Knie. Ich blickte hoch, überrascht von dieser vertraulichen Geste.
»Nichtsdestotrotz«, flüsterte sie, »bin ich froh, dass Sie es getan haben.« Sie lächelte mich an.
»Sie war meine beste Freundin.«
»Das ist ja nicht vorbei, nur weil sie nicht mehr hier ist, Liebes.« Freundlich tätschelte sie mein Bein.
Es war genau das, was ich jetzt brauchte – mütterliche Zuwendung. Tränen traten mir in die Augen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, flüsterte ich. Fast hätte ich an Ort und Stelle alle meine Gefühle vor ihr ausgebreitet, doch ich war mir bewusst, dass die anderen Mädchen mich mit Argusaugen beobachteten.
»Ich habe es mir verboten, mich einzumischen«, erklärte die Königin und seufzte. »Doch selbst wenn ich es wollte, bin ich nicht sicher, ob man mich anhören würde.«
Sie hatte recht. Wie konnten Worte das, was passiert war, ungeschehen machen?
Die Königin beugte sich zu mir. »Seien Sie trotzdem nachsichtig mit ihm«, sagte sie sanft.
Ich wusste, sie meinte es nur gut, aber ich wollte im Moment wirklich nicht über ihren Sohn sprechen. Ich nickte und stand auf. Sie lächelte mich nochmals freundlich an und bedeutete mir, dass ich entlassen war. Ich ging hinüber zu Elise und Kriss und setzte mich zu ihnen.
»Wie geht es dir?«, fragte Elise teilnahmsvoll.
»Gut. Marlee ist es, um die ich mir Sorgen mache.«
»Wenigstens sind die beiden zusammen. Solange sie einander haben, werden sie es schon schaffen«, bemerkte Kriss.
»Woher weißt du, dass Marlee und Carter zusammen sind?«
»Maxon hat es mir erzählt«, erwiderte sie, als ob es allgemein bekannt wäre.
»Aha«, sagte ich, und die Enttäuschung war mir deutlich anzumerken.
»Ich kann nicht glauben, dass Maxon es ausgerechnet dir nicht gesagt hat. Marlee und du, ihr wart doch so eng befreundet«, fuhr Kriss fort. »Außerdem bist du doch seine Favoritin, oder?«
Ich blickte erst Kriss und dann Elise an. Beide sahen besorgt, aber auch eine Spur erleichtert aus.
Celeste lachte. »Anscheinend ist sie das nicht länger«, murmelte sie, wobei sie noch nicht mal von ihrer Zeitschrift aufblickte. Offensichtlich war mein Absturz nur eine Frage der Zeit.
Ich lenkte das Gespräch wieder auf Marlee. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass Maxon ihr das angetan hat. Ich fand es unerträglich, wie ruhig er geblieben ist.«
»Aber was sie gemacht hat, war falsch«, ergriff Natalie das Wort. Ihr Ton war nicht verurteilend, sondern vermittelte eine stille Akzeptanz, als ob sie bestimmten Richtlinien des Palastes folgte.
»Er hätte sie töten lassen können«, mischte sich nun auch Elise ein. »In einem solchen Fall ist das Gesetz voll auf seiner Seite. Aber er hat sich gnädig gezeigt.«
»Gnädig?«, spottete ich. »Dass einem in aller Öffentlichkeit die Haut in Fetzen geprügelt wird, nennst du gnädig?«
»Ja, wenn man die Alternative berücksichtigt«, fuhr sie fort. »Ich wette, wenn wir Marlee fragen könnten, würde sie die Schläge dem Tod vorziehen.«
»Elise hat recht«, bemerkte Kriss. »Es stimmt, es war absolut furchtbar, aber ich würde auch lieber das ertragen, als zu sterben.«
»Ach komm«, höhnte ich, und meine angestaute Wut brach sich Bahn. »Du bist eine Drei. Jeder weiß, dass dein Vater ein berühmter Professor ist und du dein ganzes Leben sehr komfortabel in Bibliotheken verbracht hast. Du hättest diese Schläge niemals ertragen, ganz zu schweigen von einem Leben als Acht. Du würdest doch darum betteln, sterben zu dürfen.«
Kriss funkelte mich wütend an. »Tu nicht so, als ob du wüsstest, was ich ertragen kann und was nicht. Nur weil du eine Fünf bist, denkst du wohl, du bist die Einzige, die jemals in ihrem Leben leiden musste!«
»Nein, aber ich bin mir sicher, ich habe weitaus schlimmere Dinge erlebt als du«, sagte ich und meine Stimme wurde schrill vor Zorn. »
Ich
könnte jedenfalls nicht das ertragen, was Marlee erduldet hat. Deshalb bezweifle ich, dass du es könntest.«
»Ich bin tapferer, als du denkst, America. Du hast keine Ahnung, was ich all die Jahre für Opfer gebracht habe. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann trage ich auch die Konsequenzen.«
»Warum gibt es diese Konsequenzen überhaupt?«, warf ich trotzig ein. »Maxon betont ständig, welche Bürde das ganze
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