Die Elite
Casting für ihn ist, wie schwer es ihm fällt, eine Entscheidung zu treffen. Und dann verliebt sich eine von uns in jemand anderen. Sollte er ihr nicht vielmehr dankbar sein, dass sie ihm die Entscheidung leichter gemacht hat?«
Natalie, die die ganze Diskussion offenbar zu sehr stresste, versuchte uns abzulenken. »Ich habe übrigens gestern etwas Interessantes gehört!«
Doch Kriss schnitt ihr das Wort ab. »Aber das Gesetz …«
»Ich finde, America hat damit nicht ganz unrecht«, konterte Elise schnell, und im nächsten Augenblick brach die wohlgeordnete Konversation zusammen, und ein heftiger Streit entbrannte.
Wir fielen uns gegenseitig ins Wort, versuchten mit aller Leidenschaft unsere Standpunkte zu verteidigen und zu begründen, warum wir glaubten, dass das, was passiert war, richtig oder falsch war. Es war eine Premiere, doch eigentlich ein Umstand, den ich von Anfang an erwartet hatte. Bei so vielen Mädchen, die miteinander wetteiferten, war es unvermeidlich, dass wir irgendwann in Streit gerieten.
Und dann, inmitten unserer hitzigen Debatte, murmelte Celeste mit abwesender Stimme über ihrer Zeitschrift: »Sie hat bekommen, was sie verdient, diese Hure.«
Das folgende Schweigen war mindestens genauso aufgeladen wie unser Streit. Gerade noch rechtzeitig warf Celeste einen Blick über die Schulter und sah, wie ich mich auf sie stürzte. Sie schrie, als ich gegen sie prallte und uns beide in ein Kaffeetischchen riss. Ich hörte, wie eine Teetasse auf dem Boden zerschellte.
Mitten im Sprung hatte ich die Augen geschlossen, und als ich sie wieder öffnete, lag Celeste unter mir und versuchte meine Handgelenke zu packen. Ich holte mit dem rechten Arm aus und schlug sie, so fest ich konnte, ins Gesicht. Das Brennen in meiner Hand überwältigte mich fast, doch das schallende Geräusch war es das wert.
Sie heulte los und versuchte mich zu kratzen. Und zum ersten Mal bedauerte ich, dass ich mir die Nägel nicht so lang wachsen ließ wie die anderen Mädchen. Sie verpasste mir ein paar Kratzer am Arm, was mich nur noch wütender machte, und reflexartig schlug ich noch einmal zu. Diesmal platzte ihre Lippe auf. Als Reaktion griff sie nach der Untertasse ihres Teegeschirrs und knallte sie mir seitlich gegen den Kopf.
Aus dem Gleichgewicht gebracht wollte ich sie wieder packen, doch im selben Augenblick riss man uns auseinander. Vor lauter Wut hatte ich nicht einmal bemerkt, dass jemand die Wachen gerufen hatte.
»Habt ihr gesehen, was sie mir angetan hat?«, kreischte Celeste aufgebracht.
»Ach, halt den Mund!«, brüllte ich. »Und sprich nie wieder so über Marlee!«
»Sie ist verrückt geworden! Rastet hier total aus. Habt ihr gesehen, was sie getan hat?«
»Lassen Sie mich los!«, sagte ich und setzte mich gegen die Wachen zur Wehr.
»Du bist ja völlig durchgeknallt! Das werde ich sofort Maxon erzählen. Dann kannst du dich schon mal vom Palast verabschieden!«, drohte sie.
»Keine von Ihnen wird sich jetzt mit Maxon treffen«, sagte die Königin streng. Sie blickte erst Celeste und dann mich an. Ihre Enttäuschung war offenkundig. Ich senkte den Kopf. »Stattdessen werden Sie sich sofort in den Krankenflügel begeben.«
Der Krankenflügel war ein langer weißer Gang mit Betten zu beiden Seiten. Zwischen den Betten waren Vorhänge angebracht, die man zum Schutz der Privatsphäre zuziehen konnte. Ferner standen dort Schränke mit medizinischem Zubehör.
Klugerweise hatte man Celeste und mich an den jeweiligen Enden des Gangs untergebracht, Celeste lag nahe dem Eingang und ich ganz hinten in der Nähe eines Fensters. Celeste hatte den Vorhang sofort zugezogen, damit sie mich nicht mehr sehen musste. Ich konnte es ihr nicht einmal verübeln. Ich war immer noch überaus zufrieden mit mir. Selbst als die Krankenschwester die Wunde knapp hinter meinem Haaransatz versorgte, wo Celeste mich getroffen hatte, verzog ich keine Miene.
»Jetzt drücken Sie die Eispackung da drauf, damit es nicht so anschwillt«, riet sie mir.
Die Krankenschwester blickte den Gang hinauf und hinunter, um sich zu vergewissern, dass uns niemand hören konnte. »Gut gemacht«, wisperte sie. »Alle haben nur darauf gewartet, dass endlich so etwas passiert.«
»Tatsächlich?«, flüsterte ich und konnte mir das Grinsen nicht verkneifen.
»Ich habe unzählige Horrorgeschichten über sie gehört«, sagte die Schwester und nickte mit dem Kopf in Richtung Celestes Bettvorhang.
»Horrorgeschichten?«
»Nun, sie hat zum
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