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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiera Cass
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sein.
    Und plötzlich ergaben ein Dutzend Begebenheiten einen Sinn. Warum sie sich so häufig an bestimmten Stellen postierte oder in Richtung Tür starrte. Es ging immer um Carter. Als der König und die Königin von Swendway zu Besuch gewesen waren und sie nicht aus der Sonne gehen wollte – Carter. Er hatte auf Marlee gewartet, als ich vor der Toilette mit ihm zusammengestoßen war. Immer war er es gewesen, der still in der Nähe gestanden, sich vielleicht ab und zu einen Kuss gestohlen und auf den Zeitpunkt gewartet hatte, da sie wirklich zusammen sein konnten.
    Wie sehr musste sie ihn lieben, um so leichtsinnig zu werden, um so viel zu riskieren?
    Ich wusste, dass ein Vergehen wie dieses mit aller Härte bestraft wurde, doch dass es Marlee getroffen hatte und dass sie damit vom Hof verbannt war, das ging mir einfach nicht in den Kopf.
    Ich meinen Schläfen pochte es.
Genauso gut hätte es mich erwischen können. Wenn Aspen und ich nicht so vorsichtig gewesen wären oder wenn gestern Abend jemand unser Gespräch auf der Tanzfläche belauscht hätte, hätten wir es sein können.
    Würde ich Marlee jemals wiedersehen? Wo würde man sie hinschicken? Würden ihre Eltern sie verstoßen? Ich hatte keine Ahnung, welcher Kaste Carter angehört hatte, bevor er durch die Einberufung zu einer Zwei wurde, aber ich nahm an, dass er eine Sieben gewesen war. Sieben war niedrig, aber immer noch um ein Vielfaches besser als Acht. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass Marlee nun eine Acht war.
    Würde sie je wieder ihre Hände benutzen können? Wie lange brauchten solche Wunden, um zu heilen? Und was war mit Carter? Würde er irgendwann wieder in der Lage sein, aufrecht zu gehen?
    Es hätte Aspen sein können
, schoss es mir wieder durch den Kopf.
Ich hätte es sein können.
    Mir wurde schlecht. Einerseits verspürte ich eine ungeheure Erleichterung, dass es mich
nicht
getroffen hatte, andererseits waren meine Schuldgefühle über diese Erleichterung so übermächtig, dass ich kaum Luft bekam. Ich war ein schrecklicher Mensch, eine schreckliche Freundin, und ich schämte mich unendlich.
    Den Rest des Vormittags und die meiste Zeit des Nachmittags lag ich eingerollt in meinem Bett. Meine Zofen brachten mir das Mittagessen, aber ich rührte es nicht an. Dankenswerterweise bestanden sie nicht darauf, bei mir zu bleiben, und ließen mich mit meinem Kummer allein.
    Es gelang mir einfach nicht, mich zusammenzureißen. Je länger ich darüber nachdachte, was passiert war, desto grässlicher fühlte ich mich. Und ich bekam Marlees Schreie einfach nicht mehr aus meinem Kopf.
    Von der Tür kam ein zögerliches Klopfen. Ich hatte das Gefühl, mich nicht bewegen zu können, und rührte mich nicht vom Fleck. Nach einer kleinen Weile trat Maxon ein.
    »America?«, sagte er leise.
    Ich antwortete nicht.
    Er schloss die Tür, durchquerte das Zimmer und stellte sich neben mein Bett.
    »America, es tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl.«
    Ich lag still da, unfähig zu sprechen.
    »Sonst wären sie getötet worden. Die Kameraleute haben sie gestern Abend entdeckt und das Filmmaterial ohne unser Wissen weitergegeben.«
    Eine Weile lang schwieg er, vielleicht dachte er, wenn er nur lang genug dastehen würde, würde ich einlenken.
    Schließlich kniete er neben meinem Bett nieder. »America? Kannst du mich bitte ansehen, Liebling?«
    Bei der Nennung des Kosenamens krampfte sich alles in mir zusammen, und ich vermied es, ihn anzusehen.
    »Ich musste so entscheiden, America. Ich
musste.
«
    »Wie konntest du einfach nur dasitzen?«, entgegnete ich empört. Meine Stimme klang fremd. »Warum hast du nichts getan?«
    »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass es in meiner Position nötig ist, nach außen hin gelassen zu wirken, selbst wenn ich es nicht bin. Das ist etwas, das ich als Prinz dieses Landes beherrschen muss. Und glaub mir, du wirst es auch beherrschen.«
    Ich zog die Augenbrauen hoch. Er dachte doch wohl nicht, dass ich das jetzt noch immer wollte? Offenbar doch. Als er meinen Gesichtsausdruck schließlich richtig deutete, wirkte er ziemlich geschockt.
    »America, ich weiß, du bist außer dir, aber bitte hör mich an. Ich habe dir gesagt dass du die Einzige für mich bist. Bitte gib uns jetzt nicht auf.«
    »Maxon, es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich könnte nie tatenlos danebenstehen und zusehen, wie Menschen so etwas angetan wird – in dem Wissen, dass sie auf meinen Befehl hin in diese Lage gebracht

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