Die Elvenbrücke
Thonensen.
»Dieser Zarathon… könnte er nicht ein Priester sein? Oder ein Dämon? Sie haben ihre Tempel überall.«
»Ich weiß nicht mehr als du.«
»Dann werden wir es herausfinden«, knurrte Nottr.
Der Anführer kam als erster heran.
»Laß ihn mir, Kriegerin!« rief Nottr. »Ich möchte ihn mir genauer ansehen…!«
»Deine Klinge wird nicht mehr als die meine finden!« rief Burra.
Sie schnellte vorwärts, erreichte Ariwhan mit zwei gewaltigen Sätzen, durchhieb mit ihrer linken Klinge das dünne Schwert ohne Mühe und führte fast gleichzeitig einen Hieb mit ihrer rechten Klinge gegen den Helm des Anführers. Der Helm zersprang in einem Regen aus Rost und Eisensplitter.
Ariwhan sank lautlos auf die Erde. Die Fackel entfiel seiner kraftlosen Hand. Die Flammen griffen hungrig nach den alten Fellen, und hungriger noch nach der trockenen Haut und den dürren Knochen.
Burra war nach ihren beiden Schwerthieben zurückgesprungen und beobachtete nun mit weiten Augen den Toten.
Auch die anderen, auf beiden Seiten, ließen kein Auge von Ariwhan. Es gab keinen, der nicht schaudernd gewahr wurde, daß kein Tropfen Blut floß. Das Blut war längst vertrocknet, das Fleisch längst verdorrt, das Leben längst entschwunden – vor hundert Jahren oder tausend.
Einer der Krieger trat einen Schritt vor. Er ließ die Axt fallen, die er trug. Er beugte sich über den Toten und starrte ihn lange an.
Die Flammen züngelten an ihm hoch.
Er richtete sich auf. Sein Kopf brannte wie eine Fackel. Als er schließlich schrie, war es kein Schrei der Pein, sondern einer der Wut und der Enttäuschung.
»Wir sind tot!« schrie er. »Tot! So hält Zarathon sein Versprechen…!«
Stumm sahen die Krieger zu, wie er verbrannte. Nichts blieb, nur verkohlte Stücke von Leder und heißes Eisen von seinem Rüstzeug.
»Was nun?« rief Burra. »Wollt ihr immer noch den Tauren?«
Die Krieger gaben keine Antwort. Aber ihre dichten Reihen lichteten sich, als hätten sie plötzlich Furcht vor ihren Körpern; Furcht und Ekel.
Thonensen drängte sich aus dem Kreis der Gefährten und ging furchtlos auf die Krieger zu. Sie wichen vor ihm zurück, um so mehr, als Nottr und Lella mit halb erhobenen Klingen hinter ihm standen.
»Ist Zarathon ein Magier?« fragte er.
Er griff nach einem der Männer, erwischte ihn am Arm. Die ruckartige Bewegung, mit der der Mann sich befreien wollte, riß den Arm von der Schulter.
»Grimh und Aiser!« entfuhr es Thonensen. Hastig ließ er ihn fallen.
Der Krieger taumelte, stierte auf seinen Arm, wollte schreien, und erkannte wohl, daß er keinen Schmerz empfand. Da kam die Panik erst recht über ihn. Er warf sich zur Erde und heulte wie ein wildes Tier.
Die anderen begannen in die Büsche zurückzuweichen. Die Fackeln entfielen ihren Händen. Die Lorvaner hoben sie hastig auf und traten kleine Brände aus, wo das Feuer gierig nach dem dürren Buschwerk griff. Sie kannten die Wut von Steppenbränden und fürchteten sie.
»Wartet!« rief Thonensen bittend. »Laßt uns nicht im ungewissen! Sagt uns, was ihr wißt! Wer ist dieser Zarathon? Ein Magier…?«
Aber da war niemand mehr, der ihm antworten konnte. Wie ein Spuk waren sie in den nächtlichen Büschen verschwunden.
»Männer!« sagte Burra abfällig.
»Tote«, gab Nottr zu bedenken.
»Tote Männer!«
»Wir sollten aufbrechen«, riet Thonensen. Der Ausdruck seines Gesichts verriet Besorgnis.
»Angst?« fragte Burra.
»Die Tollkühnen verkennen leicht die Vorsicht und halten sie für Angst«, erwiderte der Magier tadelnd, was ihm von Burra ein Lächeln eintrug.
»Was schlägst du vor, weiser alter Mann«, sagte sie.
»Daß wir die unmittelbare Nähe des Walles meiden. Die Elven haben ihn gebaut. Sie besaßen magische Kräfte, wenn die Legenden wahr sind…«
»Du denkst, daß diese Toten… daß das Elvenmagie war?« fragte Nottr. »Ist es Schwarze Magie?«
Thonensen zuckte die Schultern. »Cescatro ließ uns wissen, daß die Elvenbrücke als Bollwerk gegen die Tauren entstand. Könnte es nicht sein, daß Duzellas Anwesenheit hier alte Kräfte weckt?«
Das machte alle sehr nachdenklich, selbst Burra und ihre Amazonen.
*
Ihr Lager war in wenigen Augenblicken abgebrochen. Sie hielten wachsam Ausschau nach ihren nächtlichen Besuchern. Erst als sie sich, die Pferde am Zügel führend, südwärts wandten, gewahrten sie eine einzelne Gestalt zwischen den Büschen.
Es war einer von Ariwhans Schar. Er war in furchtbarem Zustand. Offenbar hatte er
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