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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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in Verbindung gebracht hatte - Einzelheiten kennt er keine -, mochte durchaus etwas Wahres gewesen sein. Die Trotzkisten konnten von ihm gewußt haben, er war ja kein Unbekannter, und sie mochten ihn benutzt haben, auf eine Weise, die für immer verborgen bleiben würde ... für immer verborgen: Er weiß, daß es Grade von Unschuld gibt, die nicht einmal erfassen können, was das bedeutet - geschweige denn es akzeptieren, so wie er. Es könnte sich ja schließlich auch um nichts weiter als eine winzige Episode in einem riesenhaften, kranken Traum von Stalin gehandelt haben. Er hatte wenigstens die Physiologie, etwas, das außerhalb der Partei lag ... Die anderen, die nur die Partei hatten, die ihr ganzes Leben auf der Partei aufgebaut hatten, nur um dann aus ihr herausgesäubert zu werden, sie mußten etwas durchgemacht haben, das dem Tod sehr ähnlich war... Und nie, in nichts, hatten sie jemals Gewißheit, nie kannten sie die Präzision des Laboratoriums ... es war seine Rettung, weiß Gott, zwanzig Jahre lang. Zumindest können sie ihm nie -Nein, nein, das würden sie nicht, so einen Fall hat es noch nie gegeben ... außer, er wurde vertuscht, natürlich steht so etwas nicht in der Zeitung -Würde Pointsman -Ja. Vielleicht.
    Grischa, Grischa! Es ist wahr geworden. Und so plötzlich: fremde Städte, Schauspieler mit komischen Hüten, Cancan-Mädchen, Feuerwerke, ein lärmender Orchestergraben ... Grischa mit den Flaggen aller Länder in seinen Armen ... frischer Schellfisch, eine warme Pirogge, abends heißer Tee, zwischen den Vorstellungen ... und allmählich lernen, Rußland zu vergessen, Trost zu finden in seinen elenden, gefälschten Fragmenten, die uns begegnen ...
    Der Himmel reckt sich jetzt, läßt einen ersten, hellen Stern erscheinen. Aber Porkjewitsch wünscht sich nichts. Erfahrung. Zeichen der Ankunft lassen ihn kalt, selbst Zeichen des Abschieds ... Als das Schiff Fahrt aufnimmt, hebt sich der Schwall des Kielwassers, rosa vom Sonnenuntergang, und entzieht das weiße Casino seinem Blick.
    Heute abend ist die elektrische Beleuchtung wieder in Betrieb, das Casino heimgekehrt in Frankreichs Netz. Lüster, die zottig sind von Kristallen, glitzern an den Plafonds, draußen im Park schimmern sanftere Lampen. Slothrop, mit Tantivy und den Tänzerinnen auf dem Weg in den Speisesaal, bleibt staunend stehen und macht runde Augen, als er Katje Borgesius erblickt, das Haar geschmückt mit einem Stirnreif aus Smaragden, der Rest in ein wallendes Medici-Abendkleid aus grünem Samt gehüllt. Ihre Eskorte bilden ein Zwei-Sterne- und ein Brigadegeneral. "RHIP", singt Tantivy und scheucht sarkastische Ziegen über den Teppich, "wieder RHIP, wie du siehst."
    "Mag sein, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten", gibt Slothrop zurück, schon lächelnd.
    "Ich wart's ab." Sein eigenes Lächeln vereist. "O nein, Slothrop, ich flehe dich an:
    nein. Wir gehen schließlich zum Dinner -"
    "Aber ja, ich weiß, daß wir zum Dinner gehen -"
    "Schluß, es ist einfach peinlich. Du mußt sie wieder ausziehen. "
    "Du magst sie nicht? Echt handgemalt! Schau hier! Tolle Titten, was?"
    "Es ist die Schulkrawatte von Wormwood Scrubs."
    Im großen Speisesaal tauchen sie in ein ständiges Kommen und Gehen von Kellnern, Damen, Offizieren. Slothrop wird,
    eine Tänzerin an der Hand, vom Strudel fortgerissen und landet endlich mit ihr auf zwei Stühlen, die soeben frei werden. Um wen zu seiner Linken vorzufinden? Keine andere als Katje. Er bläst seine Backen auf, verdreht die Augen, fährt sich emsig mit den Händen durch das Haar, während bereits die Suppe serviert wird, die er angeht, als wolle er eine Bombe entschärfen. Katje ignoriert ihn völlig. Über ihren General hinweg ist sie in ein ernsthaftes Gespräch mit irgendeinem Army-Colonel über dessen Vorkriegstätigkeit vertieft, die Leitung eines Golfplatzes in Cornwall. Löcher und Hindernisse. Gab einem ein Gefühl für Operationen im Gelände. Am liebsten aber war er abends dort, wenn die Dachse aus ihren Höhlen kamen, um zu spielen
    Als der Fischgang serviert und abgetragen ist, passiert etwas ganz Komisches. Unter dem Tisch scheint sich Katjes Knie samtwarm am Knie von Slothrop zu reiben. Ei ei, schau schau, denkt dieser, das ruft nach einer kleinen Kriegslist, bin schließlich in Europa, oder? Er hebt das Weinglas und verkündet: "." Hochrufe und Applaus, der verschämte Tantivy gibt sich Mühe, nicht zu lächeln. Es ist ein Lied, das alle kennen: Einer der Schotten stürzt zum

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